Schlimmer als erwartet

Im Historischen Museum in Wien wurden im Nationalsozialismus 1800 Gegenstände erworben. Etwa ein Drittel muss nun an die rechtmäßigen jüdischen Erben zurückgegeben werden. Von Dorothee Frank.


Als vor mehr als zwei Jahren der große Wirbel um bedenkliche Museumserwerbungen auf Bundesebene losging, da zeichnete sich ab, dass auch die Sammlungen der Stadt Wien in der Nazizeit von Arisierungen und unter Druck erfolgten Kunstverkäufen profitiert haben. Günter Düriegl, der Direktor des Historischen Museums der Stadt Wien, meinte schon damals mit Bedauern: "Wir haben genommen". Nach mehreren Monaten Forschungsarbeit ist jetzt klar: Es wurde sehr viel genommen, weit mehr als gedacht.



18.000 Gegenstände aller Art, vom Bild über die Vase bis zur alten Urkunde, wurden im Nationalsozialismus vom Historischen Museum erworben; was davon tatsächlich Enteignungen oder Verkäufe weit unterm Wert waren, muss geprüft werden. Nach jetzigen Schätzungen wird etwa ein Drittel tatsächlich zurückgegeben werden müssen. Kulturstadtrat Peter Marboe lässt keinen Raum für Unklarheiten."Mir liegt daran mit Nachdruck festzustellen, dass ohne Wenn und Aber zurückgegeben wird, wenn die Kommission das empfiehlt" erklärte Marboe bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Suche nach den Erben

Die spektakulärsten Bestände, nämlich kunsthandwerkliche Objekte der Familien Rothschild und Bloch-Bauer und ein Franz von Alt-Bild aus der Sammlug Lederer, wurden schon restituiert. In vielen anderen Fällen tut man sich schwer, herauszufinden, ob es überhaupt noch lebende Erben gibt. Es wird, so Günter Düriegl, detektivisch nach den Leuten gesucht. So konnte beispielsweise erst vor drei Wochen die Erbin des Brüderpaares Hans und Friedrich Fischl ausfindig gemacht werden, von denen das Historische Museum zuletzt 1943 Kunstwerke angekauft hat.

Verdächtige Erwerbungen in Stadt- und Landesbibliothek

In der Stadt- und Landesbibliothek scheinen 868 Erwerbungen verdächtig - am prominentesten: Der Johann-Strauß-Nachlass. Die wichtigsten Objekte daraus, wie etwa die Fledermaus-Partitur, wurden zwar nach dem 2. Weltkrieg ordnungsgemäß restituiert - um diese kostbaren Stücke ausführen zu dürfen, mussten die Erben der Stadt Wien aber im Gegenzug ein große Menge von Posten als Schenkungen überlassen - faktisch eine Art der Erpressung, wie sie in den Nachkriegsjahren oft praktiziert wurde. Dabei geht es aber nicht nur um den Strauß-Nachlass. In der Sammlung befinden sich auch Werke von Strauß' Zeitgenossen.

Zwei Jahre Zeit

Innerhalb von ungefähr zwei Jahren sollen die Restitutionen aus den Sammlungen der Stadt Wien durchgeführt werden - wo keine Erben mehr eruierbar sind, werden die Güter dem Nationalfonds übergeben.

Radio …sterreich 1