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Kultur – ein „Pipifaxressort“ in Wien?

24.09.2010 | 18:24 | RAINER NOWAK (Die Presse)

Im Streitgespräch: Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Staatssekretärin Christine Marek. Den Vorwurf der parteipolitischen Einflussnahme bei Kulturförderungen weist Mailath-Pokorny zurück.

„Die Presse“: Frau Marek, mit der Bezeichnung Pipifaxressort für die Kultur haben Sie Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny den Wahlkampfschlager geschenkt.

Christine Marek: Ich habe gesagt, dass, wenn zwei Drittel des Budgets der Förderungen vor der Wahl vergeben werden, Gestaltungsspielraum und Ressourcen enden wollend sind. Deswegen haben Sie es zu einem Pipifaxressort gemacht.

Stimmt das Herr Stadtrat, dass ein etwaiger Nachfolger gar nichts ändern kann?

Andreas Mailath-Pokorny: Die Frau Staatssekretärin hat eine wunderbare Werbeagentur, die dynamische Fotos des Herrn Bürgermeister anfertigt, aber in dem Fall ist Sie schlecht beraten. Selbstverständlich ist ein Großteil der Förderungen, die der Gemeinderat beschließt, keineswegs vergeben. Wir haben einige wenige Vierjahresförderungen, die wir gemeinsam mit ihrer Partei beschlossen haben. Der nächste Kulturstadtrat, wer immer das sein möge, hat ein hohes Maß an Gestaltungsmöglichkeit. Dahinter steckt ein anderer Zugang zum Thema Kultur: Offensichtlich erscheint er Ihnen nicht so ganz wichtig. Es geht darum, welches Bild diese Stadt vermittelt.


Wie ist denn Ihr Bild?

Marek: Dass Kultur in Wien sehr parteipolitisch motiviert ist. Das erzählen Kulturschaffende: Alles, was parteipolitisch nicht genehm ist oder Beamten nicht passt, ist sehr schwierig. Bis 2013 sind 45 Mehrjahresverträge vergeben worden. Das präjudiziert 65Prozent des Budgets.
Mailath-Pokorny: Das sind doch Zahlen, die nicht stimmen. Der Vorwurf der parteipolitischen Einflussnahme geht völlig ins Leere. Ich habe weder in meinem Umfeld jemals geschaut, ob jemand Mitglied der SPÖ ist, noch bei Kulturförderungen. Das widerspricht grundsätzlich meinem Bild von Kultur. Böse ist, wer Schlechtes dabei denkt. Sonst höre ich von der ÖVP nichts, außer für mehr Transparenz bei Förderungen zu sein.

Das ist keine schlechte Forderung – nach mehr Transparenz.

Marek: Etwa beim Volksbildungswerk, in dem Moment, in dem Harry Kopietz die Leitung übernommen hat, sind die Förderungen von 200.000 auf zwei Millionen gestiegen. Da steht die SPÖ sogar mit ihrer E-Mail-Adresse dabei. Zu sagen, es gibt keine Parteipolitik in der Kulturförderung, ist lächerlich.

Mailath-Pokorny: Auch diese Zahl stimmt überhaupt nicht. Im Volksbildungswerk sind alle Parteien vertreten. Das ist eine Einrichtung, die hunderte Klein- und Kleinstvereine unterstützt. Die würden sich schön bedanken, wenn sie alle der SPÖ zugerechnet werden.

Marek: Ich würde gerne über Grundsätzliches, über Zukunftsorientiertes sprechen.

Mailath-Pokorny:
Da bin ich sehr dafür. Ich habe Ihnen hier etwas mitgebracht, das deutsche „Art“-Magazin: Im Bereich der bildenden Kunst sagen die wörtlich: „Wien rockt.“ Die neue Wiener Szene sei international wild und politisch.

Das ist doch komisch: Ein Kulturmagazin lobt eine politische, also kritische Kunstszene, und Sie sind stolz drauf und verbuchen das als Ihre persönliche Leistung.

Mailath-Pokorny: Es ist auch eine Leistung der Stadt. Eine Stadt muss ein offenes Klima ermöglichen. Es gibt viele Städte in Deutschland, in denen Galerien geschlossen werden müssen, Theater zusperren. Das schönste Kompliment hat mir Hubsi Kramar gemacht: In Wien gebe es ein Klima, wo man die Hand, die einen füttert, auch beißen kann. Das finde ich wunderbar.

Von Hubsi Kramar kann man sich auch beißen lassen, das tut nicht sehr weh.

Mailath-Pokorny: Ich sage das, weil es einen Kunststaatssekretär namens Morak gegeben hat, der gemeint hat, die Hand, die einen füttert, soll man nicht beißen.

Ich wusste nicht, dass Sie sich an Franz Morak orientieren.

Mailath-Pokorny: Nein, aber wie gesagt, so war die ÖVP-Politik.

Was mich fasziniert, ist, dass eine ÖVP-Staatssekretärin auf die Frage „Wollen Sie Subventionen kürzen?“ nicht klar Ja sagt.

Marek: Es geht darum, dass man sich anschaut, wo das Geld effizient hinkommt. Wenn Sie sagen, dass, wenn in Wien jemand unangenehm ist und der SPÖ nicht zu Gesicht steht, weiter gefördert wird, kann ich nur lachen.

Mailath-Pokorny: Lachen Sie. Mir geht es darum, ein kritisches Klima, kein Klima der Arroganz und Elitenkultur zu verbreiten. Apropos: Ich bin gestern nach einem wunderbaren Konzert vom Theater an der Wien hinter einem Auto hergefahren, einem schwarzen Hummer, auf dem groß gestanden ist „Geilo-Mobil“.

Die Geschichte glaube ich Ihnen jetzt nicht.

Mailath-Pokorny: Ich kann Ihnen die Uhrzeit und den Ort sagen.

Dass Sie so ein Glück vor diesem Gespräch haben...

Mailath-Pokorny: Also ich fahre hinter diesem Auto, habe noch im Kopf die Siebente von Beethoven und höre neben mir hämmernde Klänge, kriege Angst, denk mir, was ist das für ein militaristisches Auto. Da steht dort „ÖVP-Geilo-Mobil“. Das finde ich angesichts der Debatte über die Mindestsicherung frivol. Das ist ein Auto, das pro Monat mehr als eine Mindestsicherung verfährt.
Marek: Das ist genau der Unterschied, ich lasse Jugendkultur zu. Mailath-Pokorny: Jugendkultur?
Marek: Es kommt an!
Mailath-Pokorny: Das ist Ihr Begriff von Kultur?
Marek: Herr Mailath, reden wir wieder über Kultur.
Mailath-Pokorny: Ich frage nur, ob man als Partei hinter einem Auto steht, das militaristisch wirkt und Geilo-Mobil heißt.

Marek: Ich bin vorgewarnt worden, dass Sie unter der Gürtellinie argumentieren.

Mailath-Pokorny: Ich weiß nicht, was unter der Gürtellinie ist, ein Geilo-Mobil würde ich sagen.

Marek: Herr Nowak, ich frage mich, ob es Sinn macht weiterzureden. Ich dachte, es geht um Kultur. Hören wir auf!

Wir reden über Kulturpolitik. Aber ich hätte noch gern gewusst: Muss man Kultur subventionieren?

Marek: Kultur muss man subventionieren. Man muss sich nur die Höhe einzelner Förderprojekte ansehen, während viele leer ausgehen. Und dabei bleibe ich.

Mailath: Ich halte es für gefährlich, wie die ÖVP dauernd zu sagen, alles muss wirtschaftlicher werden, und der Eigenanteil soll sich erhöhen. Wissen Sie, wie hoch der Eigenanteil, der Sponsorenanteil, bei den Salzburger Festspielen ist? Das sind weit unter 20Prozent. Ich wünsche den ganzen kleinen Kulturinitiativen viel Glück, wenn man sie auf die Reise schickt und sagt: Holt euch noch Geld von Sponsoren. Wissen Sie, wie mühsam es ist?!

Man kann doch wohl von einem Theatermacher verlangen, dass er Mühseligkeiten auf sich nimmt.

Mailath-Pokorny: Die wandeln an der Existenzgrundlage. Die Frage ist – die liegt auf dem Tisch –, haben wir zu viele Subventionen, und müssen wir nicht Subventionen reduzieren. Und ich sage ja, im Landwirtschaftsbereich durchaus.
Marek: Schon wieder Polemik.

Mailath-Pokorny: Ich zahle als Steuerzahler hohe Beiträge für die Bergbauernförderung.
Marek: Das ist purer Klassenkampf.

Eine Frage noch: Frau Marek, Sie müssten sich doch den Job von Mailath-Pokorny wünschen, er hat mit Abstand den angenehmsten Posten der Stadt. Er ist auf jeder Premiere, trifft die interessantesten Menschen und hat dann offenbar noch Geld zu vergeben.

Marek: Für mich ist kein Ressort uninteressant.

Wie sehr ärgert Sie der Vorwurf Premierenbuffetdirektor?

Mailath-Pokorny: Gar nicht, weil das auch zu dem Job gehört. Aber ich lade die Frau Staatssekretärin ein, eine Woche oder einen Tag mit mir mitzugehen, und man wird dann sehen...
Marek: Danke nein.


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