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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst | Ars Electronica 2004 
18. August 2004
19:59 MESZ
Von
Franz Niegelhell

 
Digitale Revolutionen und einige ihrer Kinder
Die letzten 25 Jahre sind auch ein Zeitraum, in dem die Ars Electronica zum Logbuch der Entwicklung neuer Kunstformen, künstlerischer Praktiken und damit einhergehender Grenzgänger wurde

Linz - Die Ars Electronica begleitet nunmehr seit 25 Jahre die digitale Revolution. Aus kritischen wie utopischen, aber auch aus künstlerischen und wissenschaftlichen Perspektiven wurden die gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der digitalen Medien- und Kommunikationstechnologien analysiert und weitergedacht.

Diese 25 Jahre sind auch ein Zeitraum, in dem die Ars Electronica zum Logbuch der Entwicklung neuer Kunstformen, neuer künstlerischer Praktiken und damit einhergehender Grenzüberschreitungen wurde. Grenzüberschreitungen, die kulturelle und technologische Debatten in ei- nen gesamtgesellschaftlichen Kontext stellen.

Ein Blick in den Rückspiegel zeigt etwa, dass einige Themen, die einst als utopisch diskutiert wurden, heute Wirklichkeit sind. Zu nennen wären etwa die neuronalen Interfaces. 1997 gab es bei der Ars im Rahmen von FleshFactor - Informationsmaschine Mensch einen Vortrag von Peter Frommherz, der der Erste war, dem es gelungen ist, einen Chip mit einer Nervenzelle zu verbinden. Damals wurden heftige Debatten geführt, ob es jemals möglich sein wird, beispielsweise eine künstliche Iris herzustellen.

Auch eine Reihe von angesehenen Wissenschaftern stellte diese Möglichkeit in Abrede. Mittlerweile gibt es erste Prototypen davon, und das Cochlear-Implantat ist schon fast eine Standardoperation an manchen Kliniken.

Ein anderes Thema war etwa die Utopie, dass das Internet uns eine bessere Gesellschaft bescheren könnte. Ein Thema, das beispielsweise 1998 bei Infowar diskutiert wurde. Eine Utopie, von der wir mittlerweile allerdings meilenweit entfernt zu sein scheinen. Der hohe Überwachungsgrad der Gesellschaft hat durch ihre Vernetztheit fast eher zum Gegenteil geführt. Überwachungsphobien und damit gekoppelte Verschwörungstheorien feiern fröhliche Urständ. Gleichzeitig scheinen einige Aspekte dieser Utopie - so etwa bei Wikipedia - doch Realität zu werden.

Ein anderer Aspekt, der auch immer wieder für heftige Debatten sorgte, hat sich auf den ersten Blick als Schlag ins Wasser gezeigt: die Virtual Reality, die anscheinend heute überhaupt keine Bedeutung mehr hat. Sieht man sich aber die Gaming-Industrie an, stellt sich das sehr schnell als Trugschluss heraus. Hier hat die Virtual Reality einen Siegeszug gefeiert.

Mit dieser Thematik und ihren gesellschaftlichen Auswirkungen beschäftigt sich eine Reihe von Künstlern. Nicht zuletzt der Big Showdown am Schlusstag der Ars widmet sich diesem Aspekt der Cyberama. Am 7. September wird der Konzertsaal im Brucknerhaus zur Spielhölle: Game-Engines fungieren als Werkzeug für Künstler. Feng Mengbo etwa wird den Shooter Quake III für eine interaktive Performance nutzen. Unter anderem kann dabei eine dem Künstler nachgebildete Figur durch die Bewegung auf einem "Dancing Board", einer berührungsempfindlichen Bodenplatte, durch das Spiel gesteuert werden. Außerdem duellieren sich zwei Teams aus Gamer, VJs und DJs bei einer medientheoretischen und praktischen "Battle" zu Volksmusik versus Breakbeats. Die Teams dazu werden während des Festivals rekrutiert - Anmeldung und Training in der electrolobby. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 8. 2004)


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