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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
20. Februar 2009
18:42 MEZ

 

"Mit Schwung durchqueren, anstatt sich aufzuhalten": Mit minimalen Eingriffen öffnet und schließt Hannes Zebedin Raumgrenzen.


Außerirdische hinter zerschossenen Fenstern
Eingriffe an der Fassade der Secession dienen einmal mehr dem Hinterfragen von Kunsträumen und ihrer Hermetik

Arbeiten von Hannes Zebedin, Katrin Plavèak und Klaus Mosettig im Haus mit der Goldhaube.

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Wien - Eine schwarze Strickmütze hat Marcus Geiger der Secession 1992 auf den goldenen Krauthappel gesetzt. 1998 verpasste er der Ikone des freien Denkens und der gleichzeitig unantastbaren Festung der Künste einen fleckigen, lippenstiftroten Anstrich. Er gab der Fassade den Anschein brüchigen Styropors. Was die einen erzürnte, amüsierte die anderen.

Auch aktuell wird die Ernsthaftigkeit des musealen Baus wieder einmal untergraben: Einen lustigen, geschwungenen Schnurrbart wie ihn Marcel Duchamp einst der Mona Lisa aufmalte, hat die in Berlin und Wien lebende Künstlerin Katrin Plavèak (geb. 1970) der Secession in die Visage gepappt: Komik, die sich auf schnelle Kritzeleien auf Werbeplakaten ebenso bezieht wie sie dem Gebäude eine männliche Lesart aufdrückt.

Infragestellung der Institution

Eine weniger mit Humor operierende, subtile, gleichzeitig sogar brutale Auseinandersetzung mit Grenzen und Aura eines klassischen White Cubes unternimmt Hannes Zebedin (geb. 1976). Mit Steinen hat er die Kabinettfenster zertrümmert und so die Hermetik des Raumes ganz simpel aufgehoben. Die Geste des Steinwurfes stellt aber auch eine Verbindung zur Zivilgesellschaft her, zitiert Zebedin damit doch die Ästhetik einer politischen Handlung.

Auch mit einem anderen "vandalistischen" Akt erweiterte Zebedin 2005 die Intention einer künstlerischen Arbeit: Ulrike Trugers temporär aufgestellte Omofuma-Skulptur umwickelte er mit braunem Klebeband. Mit ebensolchem Klebeband wurde Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung 1998 geknebelt. Er erstickte daran.

Zebedins Steinwurf ist allerdings auch ein inversives Zitat von Gordon Matta-Clarks Aktion Window Blow-Out. Er hatte 1976 in New York als Reaktion auf soziale Ausgrenzung die Räume des Institutes for Architecture and Urban Studies von innen, mittels Schüssen durch die Fensterscheiben, geöffnet. Bei Zebedin erfährt die Öffnung im Innenraum eine Umkehrung: Dort minimalisiert er den Raum, lässt die Stiegengeländer verschwinden. Der Magistrat verbot daraufhin das Durchschreiten des "Schlurfs" .Eine ungeplante, aber glückliche Fügung: draußen der öffnende zivile Gewaltakt - im Inneren der Verschluss des Raumes durch staatliche Gewalt.

Reduziert, minimalistisch und ebenso mit (kunst-)historischen Referenzen versehen sind Klaus Mosettigs (geb. 1975) Arbeiten in der Galerie: Ausgehend von Heinz von Försters Aussage "Sag niemals, es ist langweilig, sag nie, das hat es schon gegeben" versucht er sich der Langeweile hinzugeben und wiederholt Zeichnungen des immergleichen Motivs. Als Vorlagen dienen ihm Diapositive der Mondoberfläche oder Drip-Paintings von Jackson Pollock. Mosettig bezeichnet seine Praxis als negativen, weil uninspirierten Realismus wirklich existierender, abstrakter Vorlagen. Wunderbar sind seine Bleistiftzeichnungen von Staub und Fusseln am Glas des Projektors.

Gerahmt von diesen zwei konzeptionell präzisen Positionen löst Katrin Plavèaks Präsentation mit Meteoriten-Mobile im Hauptraum zunächst Ratlosigkeit aus. Das Musikvideo (mit Johanna Kirsch) gibt eine Idee, wohin die weltverbesserischen Arbeiten wollen: "We do have fascists in our Heimat" heißt es im Refrain des mit einfachen Beats und netten Visuals gezimmerten Liedes. "Somebody out there, pick me up, I feel like leavin'" : Die Sehnsucht nach Flucht und neuen Kolonien, wo Fremdsein keine Dimension ist, schlägt sich in Malereien nieder, auf denen Luftfahrer sich mit Außerirdischen und anderen Schlauköpfen tummeln. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.09.2008)

Bis 13. 4.

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