Geheimnisvoll glänzt er auf dem schwarzen Boden: Ein
Milchstein des deutschen Künstlers Wolfgang Laib hat seinen Weg nach Mürz
gefunden, ins Kunsthaus. Nur sechs Zentimeter hoch, ein kleines Rechteck
aus weißem Marmor, begossen mit Milch. Die dünne Schicht verflüchtigt sich
nicht, bildet aufgrund der Oberflächenspannung ein schimmerndes Fluid -
verzaubernde Schlichtheit lockt zum Berühren, doch ist es eben nicht mehr
als Milch und Stein.
"Elementarteilchenkunst" nennt sich die Jahresausstellung
im Kunsthaus Mürz. Werke von fast zwanzig Künstlern sollen den Blick auf
Ursprüngliches lenken, etwas abgelutscht ist die Durchsetzung mit
historischer angewandter Kunst wie einem Teppich aus Samarkand oder einem
Topf aus dem mittelalterlichen Afghanistan - wir kennen sie schon, die
Verwandtschaften von Abstraktion und Ornament. Zur Inszenierung tragen
hölzerne Schilde von den Fidschi-Inseln jedoch das Ihrige bei; sie bilden
das Spalier zum Milchstein, lassen den Weg zu einem mythischen werden.
Einen ähnlich verschlüsselten Pfad legt auch die
koreanische Künstlerin Kim Sooja in ihrem Video "Bottari Truck" zurück:
Auf einem mit buntgemusterten Stoffballen vollbepackten Fahrzeug sitzend,
ruckelt sie Serpentinen talwärts. Beladen mit Tradition und Identität.
Auf eine hinduistische Tradition bezieht sich Pravin
Cherkoori: Sein Rechteck aus Papiermasse läßt kurz zurückschrecken:
Blutspuren vermeint man in regelmäßigen Vertiefungen, den "Opfernäpfen",
zu erkennen - es ist nur rote Farbe, die seine Handabdrücke zurückgelassen
haben.
Wissenschaftliche Kühle dagegen vermittelt ein derbes
Metallregal, bestückt mit drei altmodisch anmutenden Kleinbildschirmen.
Hier rotieren 3D-Animationen eines Virus, in Großaufnahme, statisch und
als Gruppe. Eisige Schönheit, konstruiert von APO.K., zwei Studentinnen
der Wiener Akademie der bildenden Künste.
Schön auch die Aufnahmen mit einem Rasterkraftmikroskop
von Manfred Schreiner und Jakob Gasteigers organisch brodelnde
Aluminiumobjekte, zerrissen wie silvesterliche Bleigießerei. Arbeiten von
Koloman Moser, Frantisek Kupka, Donald Judd, Helmut Federle veredeln die
Ausstellung, ihre Qualität beweist sie allerdings in den Arbeiten mit
naturwissenschaftlichem Bezug.
In der Galerie des Kunsthauses wird dem Auge dann warm:
Sabina Hörtner, Gironcoli-Schülerin, macht die kleinen Räume des
ehemaligen Hammerherrenhauses mit Installationen und Filzstiftzeichnungen
zum Erlebnisparcours. In der einstigen Gesindeküche entfachen Ventilatoren
künstliches Feuer aus Plastikbändern, im "Vorratsraum" inszeniert sie
ihren skurrilen Kampf gegen einen goldenen Schlauch ("Und es lebt doch",
2002) - und in der Turmkammer dann ein tiefer Blick in braune Augen. Fein
irritierend.
Sabina Hörtner: Bis 15. Dez., Jahresausstellung bis 9.
Februar. Do. bis Sa. 10 bis 18 Uhr, So. 10 bis 16 Uhr.
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Die Presse | Wien