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10.12.2002 - Ausstellung
Flammen aus Kunststoff und Milch für den Marmor
Das Kunsthaus Mürz zeigt Elementarteilchen der Kunst und in der Galerie künstlich Loderndes von Sabina Hörtner.
VON ALMUTH SPIEGLER


Geheimnisvoll glänzt er auf dem schwarzen Boden: Ein Milchstein des deutschen Künstlers Wolfgang Laib hat seinen Weg nach Mürz gefunden, ins Kunsthaus. Nur sechs Zentimeter hoch, ein kleines Rechteck aus weißem Marmor, begossen mit Milch. Die dünne Schicht verflüchtigt sich nicht, bildet aufgrund der Oberflächenspannung ein schimmerndes Fluid - verzaubernde Schlichtheit lockt zum Berühren, doch ist es eben nicht mehr als Milch und Stein.

"Elementarteilchenkunst" nennt sich die Jahresausstellung im Kunsthaus Mürz. Werke von fast zwanzig Künstlern sollen den Blick auf Ursprüngliches lenken, etwas abgelutscht ist die Durchsetzung mit historischer angewandter Kunst wie einem Teppich aus Samarkand oder einem Topf aus dem mittelalterlichen Afghanistan - wir kennen sie schon, die Verwandtschaften von Abstraktion und Ornament. Zur Inszenierung tragen hölzerne Schilde von den Fidschi-Inseln jedoch das Ihrige bei; sie bilden das Spalier zum Milchstein, lassen den Weg zu einem mythischen werden.

Einen ähnlich verschlüsselten Pfad legt auch die koreanische Künstlerin Kim Sooja in ihrem Video "Bottari Truck" zurück: Auf einem mit buntgemusterten Stoffballen vollbepackten Fahrzeug sitzend, ruckelt sie Serpentinen talwärts. Beladen mit Tradition und Identität.

Auf eine hinduistische Tradition bezieht sich Pravin Cherkoori: Sein Rechteck aus Papiermasse läßt kurz zurückschrecken: Blutspuren vermeint man in regelmäßigen Vertiefungen, den "Opfernäpfen", zu erkennen - es ist nur rote Farbe, die seine Handabdrücke zurückgelassen haben.

Wissenschaftliche Kühle dagegen vermittelt ein derbes Metallregal, bestückt mit drei altmodisch anmutenden Kleinbildschirmen. Hier rotieren 3D-Animationen eines Virus, in Großaufnahme, statisch und als Gruppe. Eisige Schönheit, konstruiert von APO.K., zwei Studentinnen der Wiener Akademie der bildenden Künste.

Schön auch die Aufnahmen mit einem Rasterkraftmikroskop von Manfred Schreiner und Jakob Gasteigers organisch brodelnde Aluminiumobjekte, zerrissen wie silvesterliche Bleigießerei. Arbeiten von Koloman Moser, Frantisek Kupka, Donald Judd, Helmut Federle veredeln die Ausstellung, ihre Qualität beweist sie allerdings in den Arbeiten mit naturwissenschaftlichem Bezug.

In der Galerie des Kunsthauses wird dem Auge dann warm: Sabina Hörtner, Gironcoli-Schülerin, macht die kleinen Räume des ehemaligen Hammerherrenhauses mit Installationen und Filzstiftzeichnungen zum Erlebnisparcours. In der einstigen Gesindeküche entfachen Ventilatoren künstliches Feuer aus Plastikbändern, im "Vorratsraum" inszeniert sie ihren skurrilen Kampf gegen einen goldenen Schlauch ("Und es lebt doch", 2002) - und in der Turmkammer dann ein tiefer Blick in braune Augen. Fein irritierend.

Sabina Hörtner: Bis 15. Dez., Jahresausstellung bis 9. Februar. Do. bis Sa. 10 bis 18 Uhr, So. 10 bis 16 Uhr.



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