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06.05.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Wander-Ausstellung: China tour-retour
Johanna Hofleitner
Die erste große Wanderausstellung ­westlicher Gegenwartskunst in China zeigt „Neue abstrakte Malerei aus Österreich“. Im Land der Mitte eine größere – nicht zuletzt kulturpolitische – Sensation.

So viel geballte österreichische Präsenz wie in diesem April hat die Millionenmetropole Shanghai vermutlich noch nie gesehen. Neben Kanzler und Wirtschaftdelegation weilte zeitgleich in Shanghai auch eine stattliche kulturelle Abordnung: rund 70 Sammler, Museumsleute, Kunstkritiker, Journalisten, Fans und Künstlerfreunde, die anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Neue abstrakte Malerei aus Österreich“ angereist waren. Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Gunter Damisch, Hubert Scheibl, Walter Vopava und Otto Zitko hat Kurator Edelbert Köb, organisatorisch unterstützt von Yvonne Weiler, für diese erste (!) große Wanderausstellung westlicher Gegenwartskunst in China ausgesucht, um sie dem Publikum als Repräsentanten gegenstandsloser Kunst vorzustellen. In vier großen chinesischen Museen wird sie auf je 2000 m2 Museumsfläche gezeigt.

Aus Sicht der Österreicher eine vertraute, fast kunsthistorische Auswahl – schließt die Schau doch an die legendäre Ausstellung „Hacken im Eis“ an, die 1986 in der Kunsthalle Bern und im Wiener 20er Haus stattfand und den „Neuen Wilden“ über Nacht zum internationalen Durchbruch verhalf. Ehrend und für die anwesenden Österreicher überraschend, war hingegen das Zeremoniell anlässlich der Eröffnung, das sichtbar machte, wie eng Politik und Kultur verflochten sein können.

Junge Öffentlichkeit. Wie kommt nun die Ausstellung beim Shanghaier Publikum an? Wo steht die zeitgenössische Kunst in einem Land, dessen Politikern in den 1990ern noch Chinas Teilnahme an der Venedig-Biennale peinlich war? Wo moderne Kunst jahrzehntelang nur im Untergrund stattfinden konnte und erst seit wenigen Jahren eine Öffentlichkeit bekommt?

Und welche Aufgabe haben vor diesem Hintergrund die Museen? Eine höchst bedeutsame, meint Jin Ling, in Wien lebende Kunstprofessorin und Präsidentin des Vereins zur Förderung des Kulturaustausches zwischen Österreich und China: „Man hat hier jahrtausendelang nur Kirschblüten, Chrysanthemen, Bambus und Orchideen gemalt. Bis vor zehn Jahren war die abstrakte Kunst in China verboten. Jetzt ist sie akzeptiert und wird auf Biennalen gezeigt. Das sind wichtige Signale für eine kulturelle Öffnung. Die Museen sind dabei wie eine Brücke zwischen Künstler und Publikum.“
Und die zwischen China und Wien pendelnde Kunsthistorikerin und Kritikerin Shuhong Li konstatiert: „China steht an der Schwelle von der Tradition zur Gegenwart. Früher wurde die Malerei für heilig gehalten. Daher hat die traditionelle, figurale Kunst bis heute einen sehr hohen Stellenwert. Dass es jetzt mehr und mehr gegenstandslose Malerei gibt, ist ein Zeichen für die Sehnsucht nach Freiheit. Für das Publikum aber ist die Abstraktion noch etwas Fremdes, da besteht großer Nachholbedarf.“

Tusche und Tao. In diesem Zusammenhang spielt die auch für das klassische asiatische Kunstverständnis viele Anknüpfungspunkte liefernde Ausstellung eine regelrecht didaktische Rolle. Shuhong Li: „Erwin Bohatschs wässrig-lasierende, in gedämpften Farben ausgeführte Bildtafeln erinnern an Tuschemalerei. Walter Vopavas introvertierter Malerei eignet etwas Asketisches, taoistisch Vergeistiges, während Hubert Scheibls verspielte Kunst an Techno-Musik erinnert und metallische Gefühle hervorruft. Otto Zitkos Linienknäuel wiederum erinnern an Kalligrafie.“ Zitko ist für Shuhong Li mit Gunter Damisch, der sie an Paul Klee erinnert, „am westlichsten. Und am leichtesten zugänglich sind sicher Herbert Brandls großformatige Bilder mit ihren starken Landschafts- und Natureindrücken.“


Neue Abstrakte Malerei aus Österreich:
Shang­hai Art Museum (http://www.sh-artmuseum.org.cn/; bis 31. 5.),
Chinesische Nationalgalerie, Peking (http://www.namoc.org/; 8. 6.–18. 7.),
Shanxi Art Museum, Xian (28. 7.–5. 9);
Guangdong Museum of Art, Guangzhou (http://www.gdmoa.org/; 16. 9.–23. 10.).
„China retour“, MUMOK, Wien (http://www.mumok.at/;  16. 12. 05–19. 2. 06)


 

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