Schloss Wolkersdorf: Die Initiative Fluss präsentiert Arbeiten von Renate Bertlmann und Heinz Cibulka
Erotische Reisebilder aus vier Jahrzehnten
|
Geflügelter Phallus zwischen Himmel und Hölle des Kitsches: Renate
Bertlmanns „Farphalla desiderosa“ beschert Erotik mit ironischem
Mehrwert. Foto: Renate Bertlmann |
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Die Foto- und Medieninitiative "Fluss" in
Schloss Wolkersdorf kommt in die Jahre – viele interessante
Ausstellungen und Workshops haben Heinz Cibulka, Vereinsobmann von 1989
bis 2002, und das langjährige Vorstandsmitglied Renate Bertlmann
bereits organisiert. Der Ort galt bei vielen bereits als Geheimtipp,
lange bevor die Fotografie in Wiener Museen und Galerien beachtet wurde.
Nun können die beiden – neben eigenen Teilen ihrer Personalen – in
einem Raum die Annäherung ihres unterschiedlichen Werks in zarter
Zwiesprache wagen. Übereinstimmend sind nicht nur die fotografischen
Medien: Die beiden haben in den "wilden" 70er Jahren aktiv im Wiener
Aktionismus und bei ersten feministischen Performances begonnen.
Die Arbeit mit dem Körper ist für beide wesentlich: Bertlmann gilt
als Pionierin der weiblichen Aktionsszene in Österreich, Cibulka macht
bis heute neben den eigenen Fotoserien Aufnahmen für Hermann Nitsch und
war in der Frühzeit selbst Modell in dessen Aktionen.
Deftig und ironisch
Eine Teamarbeit hat Cibulka auch mit der Fotokünstlerin Magdalena
Frey erstellt: Eine Art Fahrtenbuch durch die USA, das mehr als sechs
Meter misst. In der neuen Computercollage verfließen die Grenzen
zwischen den Bildern und Räumen, aber auch zwischen beiden Autoren. Für
den als Gastprofessor an Universitäten tätigen Künstler ist die
Zusammenarbeit Teil seines Programms. Daneben sind seine seriellen,
frühen, noch analog entstandenen Fotoblöcke seit 1972 – meist zu Themen
des Weinviertler Alltags – den Arbeiten in der neuen digitalen
Kombinationstechnik gegenübergestellt.
Renate Bertlmann tritt mit einigen wichtigen Arbeitsblöcken auf,
dazu sind im Screening-Room eine Auswahl ihrer deftig-ironischen, teils
digital generierten, auch mit Sound unterlegten Fotofilme zu
betrachten.
Gegen elitäre Höhen
Die thematische Gliederung ihrer Kunst hat drei Teile: Pornografie,
Ironie und Utopie – Übertitel: "Amo ergo sum". Dabei schreckte
Bertlmann schon 1977 nicht davor zurück, einem geschnitzten Christus
statt einer Dorneneine Schnullerkrone aufzusetzen und dies fotografisch
festzuhalten. Nicht um Blasphemie geht es allerdings: In der Beischrift
ergeht die Aufforderung an Theologen, endlich mehr von Zärtlichkeit zu
reden – auch für Ostern 2008 eine berechtigte Forderung.
In ihren Fotoinszenierungen zeigt Bertlmann zudem die
geschlechtliche Verwandlung von René in Renée von 1980. Rollenspiele
sind auch in ihrer heuer entstandenen, witzigen Fotoinstallation "Zebra
und Leopard, Leopard und Zebra" präsent: Eine Lektion in der hohen
Schule von Fressen und Gefressenwerden, wie sie auch "Alien food" (2003
bis 2006) bietet, und zugleich eine sehr heitere Attacke auf alle, die
sich in den elitären Höhen der Kunst verfangen.
Bertlmann ging es immer schon um Kunst-Überschreitungen in das
Lebensnahe, die auch für das Publikum verständlich bleiben. Mit den
frühen, selbst gegossenen Latexhäuten "Streicheleinheiten" von 1976,
die sie 1998 in eine Fotoserie verpackte, kommen die starken haptischen
Qualitäten ihrer Werke mit ins Spiel. Die "Farphalla
desiderosa"-Aufnahmen haben von 1995 bis ’97 einen gläsernen und
geflügelten Phallus fotografisch verfolgt, der sich in Himmel und Hölle
des Kitsches verfängt.
Leiden und Lust, diese österreichische Spezialkombination, werden mit Augenzwinkern entlarvt.
Renate Bertlmann/
Heinz Cibulka
Fluss – Initiative für
Foto- und Medienkunst
Schloss Wolkersdorf
Schlossplatz 2,
2120 Wolkersdorf
Bis 30. März
Dienstag, 18. März 2008
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch
veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen.
Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in
der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer
nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird
online nicht veröffentlicht.