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Kunstrückgabe: Präzedenzfall für Leopold?

17.03.2010 | 18:49 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Der Beirat befasst sich am Freitag mit einem wichtigen Schiele-Bild aus dem Belvedere - dessen Rückgabe schon einmal abgelehnt wurde. Konkret handelt es sich um Schieles Ölgemälde "Mutter mit zwei Kindern III".

Mit Schieles Ölgemälde aus dem Belvedere, „Mutter mit zwei Kindern III“ (1915–1917), beschäftigt sich der Kunstrückgabebeirat am morgigen Freitag bereits zum zweiten Mal. Die Restitution wurde schon einmal abgelehnt, weil die Republik für das Bild bezahlt hat. Mittlerweile wurde das Kunstrückgabegesetz novelliert. „Dieser Schiele ist der erste Fall, bei dem man sieht, wie sinnvoll die Novelle war“, sagt Anwalt Alfred Noll. Die Geschichte der ursprünglichen Besitzerin des Gemäldes, Jenny Steiner, ist in Sophie Lillies „Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens“ (Czernin Verlag) nachzulesen. Jenny Steiner war eine der reichsten Frauen Wiens.

Nach dem Tod ihres Mannes führte sie mit ihrem Neffen die familieneigene Seidenmanufaktur weiter. Ihr gewaltiges Vermögen von sechs Mio. Reichsmark wurde von den Nationalsozialisten 1938 per Exekution eingezogen. Ihre prunkvolle Wohnung wurde „arisiert“ (beschlagnahmt), die Sammlung über das Dorotheum veräußert.

Jenny Steiner floh in die USA. 1958 starb sie mit 95 Jahren in New York. Zu Lebzeiten erhielt sie nur wenige Stücke ihrer ehemaligen Sammlung zurück. 2000 wurde den Erben Klimts „Landhaus am Attersee“ (Belvedere) restituiert. Die nun diskutierte „Mutter mit zwei Kindern“ befand sich im Besitz des NS-Propagandaamtes und wurde Jenny Steiner 1950 zugesprochen. Die Ausfuhrbewilligung freilich war nicht zu erlangen.

 

Ein klarer Fall von legaler Erpressung

„Hofrat Garzarolli (Belvedere-Chef) teilte fernmündlich mit, dass die Ausfuhr für das genannte Bild nicht zu erteilen ist, weil es sich um ein Spätwerk Schieles und eines seiner Hauptwerke handelt. Er bittet anzufragen, ob das Bild verkäuflich ist.“ „Mama“, schreibt Jenny Steiners Tochter Klara an die Österreichische Galerie im Belvedere, „hatte eigentlich nicht die Absicht, das Bild, an dem sie auch aus sentimentalen Gründen hängt, zu verkaufen.“ Mangels Ausfuhrbewilligung gab es keine Alternative. 1951 ging das Gemälde für 20.000 Schilling an die Österreichische Galerie. Der Auktionsrekord bei Schiele-Ölgemälden liegt heute bei 22,4 Mio. Dollar („Einzelne Häuser, Häuser mit Bergen“, 2006 bei Christie's in New York).

Das österreichische Ausfuhrverbotsgesetz ermöglichte es, völlig legal, den von den Nationalsozialisten beraubten Juden, die ihr Eigentum zurückbekamen, dieses neuerlich abzuknöpfen mit dem Hinweis auf nationales Interesse, eine in der Nachkriegszeit gängige üble Praxis. Aus der Jenny-Steiner-Sammlung stammt auch Schieles „Häuser am Meer“, heute in der Leopold-Stiftung. Ein Privatmann hatte es im Dorotheum erworben, sein Sohn verkaufte es 1952/53 an Rudolf Leopold. Das Leopold-Museum ist nicht dem nur für die öffentliche Hand geltenden Kunstrückgabegesetz unterworfen. Bildungsministerin Schmied macht aber sanften Druck, indem sie die Leopold-Sammlung von Provenienzforschern des Bundes durchleuchten ließ und eine eigene Kommission einsetzte, die sich mit zweifelhaften Fällen befasst. Sammler Rudolf Leopold meinte zum Thema „Häuser am Meer“ am 25.Februar der „Presse“ gegenüber: „Es ist das einzige Bild, das wirklich entzogen wurde.“ Sollte die Kommission der Leopold-Stiftung Gemälde zur Rückgabe empfehlen, wolle man sich vergleichen. Leopold: „Wir werden zahlen, angemessene Preise.“

Für Anwalt Noll ist jedenfalls klar, dass, sollte der Rückgabebeirat (nicht identisch mit der Schmied-Kommission für Leopold) „Mutter mit zwei Kindern“ aus dem Belvedere zur Rückgabe empfehlen, „der Druck auf die Leopold-Stiftung wegen ,Häuser am Meer‘ steigt“. Die weiteren Fälle, die der Beirat am Freitag behandeln wird: zwei Silberleuchter aus dem Museum für angewandte Kunst (MAK) aus dem Besitz von Emil und Amalie Iwnicki, zwei Silberleuchter aus dem MAK, ehemals Anna Kutscher gehörend – und Jakob van Es' „Früchtestillleben“, ehemals aus dem Besitz von Robert Schwarz. Der spektakulärste Fall, den der Beirat zu beurteilen hat, wird wohl erst im Frühsommer drankommen: Vermeers „Malkunst“ aus dem KHM, die von den Erben Jaromir Czernins beansprucht wird.


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