Salzburger Nachrichten am 18. August 2005 - Bereich: kultur
Der Untersberg inspiriert

Auf der Suche nach der besten Form, die im Stein angelegt ist: Bildhauer Miloš Chlupác unterrichtet derzeit an der Salzburger Sommerakademie.

GUDRUN WEINZIERL Interview Seit 20 Jahren - mit wenigen Ausnahmen - hat sich ein Mann dem Unterricht an der Sommerakademie verschrieben: der Tscheche Miloš Chlupác ist geistiger Vater der Steinbildhauerei im Steinbruch am Untersberg - ein würdiger, alter Herr, der vorurteilslos, freundlich und geistvoll eine Vielzahl von Studenten begleitete. Heuer besteht die Bildhauerklasse im Steinbruch aus 13 Personen: Zehn Studenten, dem Assistenten Ricardo Sohn, Susanne Tunn als Professorin und dem Doyen Miloš Chlupác.

Sie sind ein international anerkannter Bildhauer, in Österreich aber vor allem als Leiter von Symposien bekannt geworden. Chlupác: Ich habe mich ursprünglich sehr für die Biologie und den Holismus interessiert, habe auch Medizin studiert. Als aber durch den Krieg die Universitäten geschlossen wurden, musste ich etwas anderes lernen. Ich wurde Steinmetz, habe dann in der berühmten Steinbildhauerwerkstatt der Akademie Bildender Künste in Prag bei Velinský gearbeitet und nach dem Krieg mit den Studium der Bildhauerei begonnen, an der Höheren Kunstgewerbeschule in Prag bei Stinl und Wagner.

So ähnlich war das auch mit den Symposien. Irgendwann wird man zu Neuem hingeführt. Meine letzten großen Symposien waren 1999 und 2003 in Guanxi in China. Begonnen habe ich mit Karl Prantl im Steinbruch von St. Margarethen 1963. Ein Jahr später organisierte ich Ruzbachý in der Slowakei. Dieser Weg der Symposien führte mich nach Deutschland, Frankreich, Ungarn, Jugoslawien, nach Slowenien, nach Krastal in Kärnten, sogar nach Mexiko.

Ab den 60er Jahren hat man auch in anderen Kunstbereichen mit Symposien begonnen. Es war eine Zeit, in der das Zusammentreffen der Künstler und der Austausch sehr wichtig waren, besonders für alle, die hinter dem Eisernen Vorhang lebten.

Wie erleben Sie, ein Mann der so viele Symposien begleitete, das Arbeiten hier in Salzburg? Chlupác: Wir haben hier oben im Steinbruch sechs Wochen lang unser Zuhause, wo wir nicht nur körperlich arbeiten, sondern auch viel überlegen und über künstlerische und technische Probleme der Bildhauerei und der Steinbearbeitung reden. Wir haben alle unsere Neigungen und unsere festen Vorstellungen und die sind in jedem neu, individuell - so ist kein Tag und kein Jahr hier in diesem Steinbruch gleich. Salzburg ist für mich auch immer ein bisschen wie Urlaub. Abends können wir Musik, Vorträge oder Kino erleben, wenn wir aus unserer selbst gewählten Einsamkeit, aus unserer geschlossenen Gesellschaft hinausgehen und in die Stadt fahren. Der Untersberg inspiriert uns alle.

Was wollen Sie Ihren Studenten vermitteln? Chlupác: Wir suchen die beste Form für etwas, das schon im Stein angedeutet ist. Wir müssen uns ja dem Charakter des Steins anpassen, seiner Form, seiner Härte, denn Stein kann man nicht überwältigen. Das ist für jeden immer wieder ein interessanter Prozess, worauf man sich bei diesem Material einlässt. Manchmal muss man seine Vorstellung aufgeben und sich dem Stein überlassen. Die Kunst ist eine komplizierte Sache. In der Steinbildhauerei besteht vor allem die Gefahr, dass man innerhalb der Abstraktion zum Dekorativen neigt. Andererseits, wenn man naturalistisch arbeitet, seine Lösung im Abbild sucht. Das sind zwei Gefahren, die besonders bei der Arbeit mit Stein auftauchen. Man kann ja auf den ersten Blick sehen, ob etwas ernste Arbeit ist oder an der Oberfläche bleibt. Mit dem Stein geht man auf längere Zeit eine Symbiose ein, wir wollen die Seele des Steins erfassen, ihn aber auch selbst beseelen.

Sie wirken auch mit 85 noch sehr kraftvoll, haben viel Elan, woher schöpfen Sie Ihre Kraft, Sie haben doch auch sehr harte Zeiten erlebt? Chlupác: Die 50er Jahre, die waren wirklich hart, ich habe begonnen als freier Bildhauer zu leben, habe als Journalist für eine kulturpolitische Revue gearbeitet und meine Familie mit Restaurierungsarbeiten ernährt. Schon während der Ausbildung wurden die Studenten angehalten das Restaurieren zu lernen, weil es helfen konnte zu überleben. Ich war nicht gut für das Regime, weil ich als Künstler auf die Moderne hin orientiert war. Dennoch war ich immer glücklich, mein großes Glück war meine Ehe.

Heute bin ich schon faul. Ich sage mir: Was für eine Narrheit ist das, immer mit dem Stein ringen, immer draufloszuhauen? Besser ich passe mich ihm an. Die Jungen haben natürlich Elan, aber ich fühle mich wie im Himmel: Alle sind freundlich, begeistert, alle wollen arbeiten und mir auch zuhören. Meine Kraft kommt aus der Freude das zu tun, was nach außen drängt. Das hat mir auch in schweren Zeiten geholfen. Wenn man Hindernisse spürt, wird man zu einer höheren Qualität gezwungen, Schwierigkeiten fordern einen heraus, mehr von seiner Kraft und seiner Liebe zur Kunst zu geben.Eine große Einzelausstellung mit Werken von Miloš Chlupác ist noch bis 9. Oktober im Belvedere (Schloss der Königin Anne) am Hradschin in Prag zu sehen. Neben den Skulpturen sind auch Bilder und Keramiken von Chlupác und eine umfassende Dokumentation zu seinem Werk zu sehen. Während der Sommerakademie in Salzburg ist Chlupác mit einer großen Skulptur im Toskanatrakt und im Skulpturengarten in St. Virgil vertreten. Im Donnenbergpark lädt ein steinerner Tisch ein, sich mit seinem Werk auseinander zu setzen.