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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
14. Juni 2009
19:05 MESZ

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Bis 21. 6.

 

Die Secession von Joseph Maria Olbrich, degradiert zur Nebenrolle: Der polnische Künstler Pawel Althamer hat eine Passage quer durch das Ausstellungshaus errichten lassen.


Gartenfest mit Ablaufdatum
Mit einem wirkungsvollen Eingriff lenkt Pawel Althamer die Schritte hinter die Secession - Der Garten ist damit - zumindest temporär - zum Raum künstlerischer und sozialer Entfaltung für "Andere" geworden

Wien - Das goldene Krauthappel wollte Pawel Althamer der Secession eigentlich abnehmen, er wollte die Kuppel in den Garten legen und schauen, was passiert. Was passiert, wenn die Aufmerksamkeit an andere Orte gelenkt wird?

Die Idee war natürlich nicht umsetzbar. Die Maßnahme, die der polnische Künstler stattdessen vorgenommen hat, ist aber ähnlich drastisch, sie erteilt dem Jugendstilbau von Joseph Maria Olbrich eine Nebenrolle. Er wird zur Passage: Ein Tunnel durchzieht ihn und lässt den Besucher rasch vom Trubel am Naschmarkt zu einer kleinen grünen Insel gelangen. Der Beethovenfries, der täglich zahlreiche Touristen anlockt, ist nur über den Seiteneingang zugänglich.

Schnellen Schrittes überwindet man also die Secession, und wer Althamers Werk kennt, weiß, dass damit auch die Überwindung der elitären Institution Kunst gemeint ist. Brave Graffitis, geflügelte rosafarbene Elefanten und antikapitalistische Sprüche zieren mittlerweile die Wände der schlichten, schmalen Passage.

"Sei doch dabei": Pawel Althamer hat Flüchtlinge, Obdachlose, Kunststudenten, Musiker zur Teilnahme geladen - hinter die Secession. Denn hier im Garten spielt nun die Musik. Eine Verschiebung des Fokus, die er in ähnlicher Weise bereits 1996 und 1999 in der Warschauer Galerie Foksal vollzog. Pawel Althamer und andere heißt das Wiener Projekt und meint: Er besorgt das Setting wie Bühne, Ausstellungsfläche oder Café, den Rest des Programms müssen "die anderen" aufstellen.

Das Zentrum des Universums

Auch eine offene Feuerstelle gibt es. Denn das Lagerfeuer ist für Althamer, der den Menschen als Zentrum des Universums in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt, ein archaischer Platz, ein Ort hierarchiefreien Gesprächs. Oder ein Ort spiritueller Erfahrungen. Spiritualität ist ein wichtiges Element in Althamers Arbeit, wie die Videodokumentation Sogenannte Wellen und andere Phänomene des Geistes (2003/04, gemeinsam mit Artur Zmijewski) über zahlreiche bewusstseinserweiternde Trips - mit oder ohne Drogen - beweist.

Althamer installiert gestalterische und soziale Erfahrungsräume, man erinnere sich nur an sein Baumhaus, das er bei der Biennale Venedig 2003 vor dem Eingang zu den Giardini installierte. "Althamer", so beschrieb Kurator Roman Kurzmeyer einmal seine Begeisterung für den Künstler, "gelingt der Wissens- und Erfahrungstransfer aus dem Alltag in die Welt der Kunst". Man könnte ergänzen: Und wieder zurück.

Gelungen ist dem heute 41-Jährigen das jedoch nicht immer. Der Mensch scheint Animation und Anleitung zu benötigen, um die Freiräume zu nützen, die Althamer anbietet. Das Angebot, die vorgegebene Route zu verlassen, hinterlässt andere oft ratlos: 2007 bei den Skulptur Projekten in Münster führte ein getrampelter Weg durch Kornfelder und Wiesen und hörte in der Mitte von nirgendwo auf. Das Unbekannte verunsicherte.

Auch Althamers Real Time Movie, die Wiederaufführung eines Trailers mit Schauspieler Jude Law 2007 am Londoner Borough Market, ging ein wenig in die Hose. Der Mime schlenderte über den Markt und kaufte einen Fisch. Die banale Handlung sollte den Blick der Besucher, die per "Come, See, Experience" zur Aktion geladen waren, auf "die Kunst des Alltags" locken. Hysterische Teenager und verärgerte Standler, so sah die Realität aber aus. Hinter der Secession gelingt dank "Animation" derzeit mehr. Vermutlich ist aber nach dem offiziellen Projektende auch der Erfahrungs- und Begegnungsraum Secessionsgarten wieder Geschichte. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe 15.6.2009)

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