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Frauen zurück in die Kunstgeschichte!

03.03.2008 | 18:11 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Impressionistinnen. Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt zeigt vier wesentliche Malerinnen. 3.000 professionelle Malerinnen und Bildhauerinnen arbeiteten nach zeitgenössischen Schätzungen 1883 in Paris.

Manet, Monet, Degas, Renoir. Das sind die juicy names, die Ausstellungen heute zu Spektakeln machen, Politiker schwärmen, Museumsdirektoren hyperventilieren, Sponsoren erbeben lassen – und die Massen vor den Ticketschaltern zu manierlichen Quotenschlangen formen. Sie sind die Großen des Impressionismus, so haben wir es gelernt, so steht es geschrieben, in den Dutzenden Standardwerken und Monografien über die einzelnen Genies. Männlich, tragisch, unbeirrbar: Generationen von Kunsthistorikern haben es gut verstanden, ihr Mythenhandwerk. Daneben blieb kaum mehr Platz im Langzeitgedächtnis. Schon gar keiner für Frauen.

Morisot, Cassatt, Gonzalès, Bracquemend. So heißt heute keine Ausstellung. Selbst in der Schirn Kunsthalle Frankfurt nicht. Noch nicht. Denn, was dort noch unter dem Titel „Impressionistinnen“ passiert, ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Hier wird mit einer repräsentativen und konzentrierten Ausstellung versucht, das Kunstverständnis der Gesellschaft zu verändern, der Kunstgeschichte wieder ihre weiblichen Protagonistinnen zu implantieren. Denn es gab sie. 3000 professionelle Malerinnen und Bildhauerinnen arbeiteten nach zeitgenössischen Schätzungen 1883 in Paris. Was Wissenschaftlern wohl nur ein mildes Lächeln abringt – die feministische Forschung hat seit den 70er-Jahren schließlich gute Arbeit geleistet –, ist an der breiten Öffentlichkeit bis heute völlig vorbeigegangen. Da darf man nichts schönreden.

Morisot, Cassatt, Gonzalès, Bracquemend. Diese Namen kennt man nicht. Dabei waren sie zu ihrer Zeit anerkannt, wurden von Kritik und Kollegen teils richtiggehend gefeiert. Berthe Morisot war der Star, mit dem sich die neue Truppe der Impressionisten gerne schmückte. Sie wurde von der Kritik sogar als einzig echte Impressionistin bezeichnet. Ihr Stil wirkt frei, skizzenhaft, teils fast wild. Marie Bracquemend galt als begabte Schülerin von Ingres, trat aber vor allem mit ausgezeichneten Porzellanentwürfen für die Fabrik ihres Mannes an die Öffentlichkeit. 1890 hörte sie – „wegen des Familienfriedens“ – mit der Malerei völlig auf. Eva Gonzalès (1847–1883) war bekannt für ihre außergewöhnlichen Pastelle, ein Kritiker schrieb, dass sie ihren Lehrer Manet in mancher Weise übertreffe. Doch ihr blieb wenig Zeit, sie starb mit 34, nach der Geburt ihres Sohnes.

Eine Ausnahme unter den Auserwählten der Ausstellung bildet Mary Cassatt. Sie war Amerikanerin, ihr Werk ist in den USA heute ebenso bekannt wie das von Monet oder ihrem engen Freund Degas. Als Einzige der vier hatte sie auch die Möglichkeit einer professionellen Ausbildung auf einer Kunstakademie. 1844, über 50 Jahre bevor in Paris Frauen auf der Académie zugelassen wurden, standen sie in den USA bereits offen.


Alle aus der Bourgeoisie

Wie die Herzen einiger zeitgenössischer Kunstkritiker: „Mut, meine Damen! Sie haben eine lange Karriere vor sich“, gratulierte 1865 ein Salonkritiker Berthe Morisot und ihrer Schwester Edma, die aber nach ihrer Hochzeit zu malen aufhörte. Wie so viele. Eine der großen Schwierigkeiten für die Künstlerinnen war, sich von den Dilettantinnen zu unterscheiden. Denn Malen war eine Lieblingsbeschäftigung der Bourgeoisie. Aus der kamen auch alle der vier Impressionistinnen. Und in diesem Milieu blieben sie auch. Die neue Bewegung war wie geschaffen für Künstlerinnen – die Formate waren kleiner und die Motive privat. „Das wahre Leben“, forderte Emile Zola, sollte ja endlich festgehalten werden. Und wie hätte das der Frauen dabei fehlen können?

Mutter mit Kind, in sehr unsentimentaler Weise, gar mit Mut zur Hässlichkeit, dafür wurde etwa Cassatt berühmt. Aber auch alle anderen malten unablässig ihre Umgebung, ihr privates Umfeld, Töchter, Ehemänner, Brüder – andere Modelle waren ihnen auch nicht zugänglich. Doch die Frauen bei der Toilette, die Kinder, die Hausmädchen, sie kommen auch bei ihren Kollegen häufig vor.

Jetzt könnte man sich in der Ausstellung von traurigen Frauenblicken, abgewandten Gesichtern, architektonischen Barrieren und sehnsuchtsvoll geöffneten Fenstern verfolgt fühlen. Aber tun Sie das nicht! Morisot lässt zwar die Streben des Vogelkäfigs verschwinden. Die zeitgleich, 1866 gegründete moderne Frauenbewegung war aber kein Thema der Impressionistinnen. Sie waren höchstens melancholische Chronistinnen ihrer eingeschränkten, gutbürgerlichen Lebensumstände, unterschieden sich inhaltlich dabei nur wenig von ihren Kollegen. Revolutionärinnen, kämpferische Feministinnen waren sie nicht. Da hilft auch die kräftig violette Farbe der so weiblich weich geschwungenen Ausstellungswände nichts. Die Malerinnen wollten Erfolg haben mit ihren Bildern, im Salon reüssieren wie ihre Kollegen. Das ist ihnen gelungen. Und zwar bedeutend besser, als die Kunstgeschichte es uns lange glauben lassen wollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2008)


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