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Kunstberichte

Die Kunsthalle Krems zeigt unter dem Titel "Brasilien. Von Österreich zur Neuen Welt" allerlei Exotisches

Die nackte Wildheit Amazoniens

Verlorene Welten: „Der letzte Tamoio“ von Rodolfo Amoedo.  Foto: Museu Nacional de Belas Artes

Verlorene Welten: „Der letzte Tamoio“ von Rodolfo Amoedo. Foto: Museu Nacional de Belas Artes

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Sag zum Abschied laut Adieu: Direktor Tayfun Belgin verabschiedet sich aus der Kunsthalle Krems, und das mit einer opulenten Schau über Brasilien in der Kunst- und Naturgeschichte – mit weit reichenden Kooperationen bis São Paulo und Rio de Janeiro, heimischen Partnern wie dem Kupferstichkabinett der Akademie und den großen Museen Wiens sowie insgesamt neun Kuratoren ein fulminanter Abgang. Schade nur, dass von diesen vielschichtigen Blickwinkeln über die Jahrhunderte nicht mehr bleibt als ein schmalbrüstiger Katalog.

Habsburg forscht

Der wissenschaftliche Impetus war enorm, als Kaiser Franz I. seine Tochter Maria Leopoldine mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro, dem späteren Kaiser Brasiliens, vermählte. Die Ehe wurde eine Tortur, doch die Kaiserin ist bis heute positiv in Erinnerung. Sie wurde von dem Maler Thomas Ender, dem Tierpräparator Johann Natterer und einem ganzen Dutzend weiterer Kollegen begleitet. Der Auftrag dieser Expeditionsreise aus dem Jahr 1817 lautete, Notizen, Bilder, botanische, zoologische und kulturelle Zeugnisse in die Heimat zurückzubringen.

Die Ausbeute von über 2000 Exponaten – schon damals mit kartografischer Aufnahme der Fundorte – führte 1821 zur Gründung des "Brasilianums" in Wien.

Teile der opulenten Funde werden mit den Zeichnungen und Aquarellen Enders von Land und Leuten in abgestimmter Farbgestaltung der jeweiligen Räume präsentiert. Der Maler hatte auch eine Serie über die Versklavung Dunkelhäutiger gestaltet, Kollege Natterer kehrte damals gar mit einem Sklaven zurück.

Geparden bekehren

Die Malerei der brasilianischen Künstler passte sich schnell europäischen Moden an; zwar blieb das Kunstgewerbe der indigenen Bevölkerung zu schamanistischen Ritualen erhalten, aber die eingewanderte Oberschicht brachte Christentum und Aufklärung ins Land.

Allerdings wird in Bernardo Calixtos Gemälde von 1893 das Evangelium durch einen Mönch lediglich einem Geparden verkündet, wobei diese Symbolik der Wildheit für sich spricht.

Augusto Rodrigues Duarte und José Maria Medeiros stimmen bereits 1878 und 1884 den malerischen Abgesang an indigene Heroen mit "Trauerfeier für Atalá" und "Iracema" an. Kultobjekte aus Federn, Trophäenschädel und geflochtene Kostüme für Windgeister werden von Fotografien und Stichen des 19. Jahrhunderts abgelöst.

Nur ein brasilianischer Macho (Holzfäller), in strotzender Manneskraft porträtiert, bringt Humor in verlorene Welten.

Brasilien. Von Österreich zur Neuen Welt

Kunsthalle Krems

Bis 17. Februar

Exotisch.

Mittwoch, 19. Dezember 2007


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