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Kunstberichte

Ausstellung

Warten auf Goten und Vandalen

So stellt West Möbel her: Hier der Doppelsitzer

So stellt West Möbel her: Hier der Doppelsitzer "Eo Ipso". Foto: Wolfgang Woessner/MAK

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Die Amerikaner zählen den 1947 geborenen Franz West zur "Comic Abstraction" – nun widmet ihm das MAK, nach der großen Schau "Gnadenlos" im Jahr 2001, die Ausstellung "Sit on my Chair, Lay on my Bed. Angewandte Kunst". Der Schüler Bruno Gironcolis ist neben dem jüngeren Erwin Wurm der einzige Vertreter der neuen plastischen Künste, der den Sprung in das internationale Ausstellungswesen geschafft hat.

Dazu vertritt ihn die bekannte Gagosian Gallery in New York, die dieses Jahr auch seine 1970 entstandenen "Passstücke" zeigte, mit denen er einst reüssierte.

Im schmalen Ausstellungsbereich unterm Dach des MAK können sich seine ausladenden, wenn auch kargen Möbelstücke aber kaum entfalten; auch das große Zelt über dem frühen Prunkstück seines gedrehten Doppelsitzers "Eo Ipso" aus geschwungenem hellgrünem Blech mit Teilen der Waschmaschine seiner Mutter hilft dabei wenig. Die Aufstellung ist offenbar bewusst gedrängt und chaotisch, denn jeglicher klassischen Ästhetik hat sich West immer versagt.

Großer Tapezierer

Wichtig ist ihm neben einer gewissen minimalistischen Kargheit die alt gediente avantgardistische Rotzigkeit unbehandelter Oberflächen aus Metall, ungeschliffener Kanten mit stehen gelassenen Graten und sichtbaren Nägeln. Dies ist fast ein Rückblick auf Auguste Rodin, erinnert aber auch an die frühen Skulpturen eines Joseph Beuys. Auf den Möbeln liegen teils abgewetzte Teppiche, die – wie ein politisch unkorrekter Spruch besagt – von Goten und Vandalen überrannt scheinen.

Aktionismus ohne Exhibitionismus steht bei West nach wie vor hoch im Kurs, dem performativen Passstück folgt der interaktive Gebrauchswert seiner Skulpturen im Alltäglichen, als Museumsbestuhlung im ganzen MAK beispielsweise. Hinter einigen im typischen schick schäbigen Weststil neu erstellten Liegen, Tischen, Gartenmöbeln und sogar Kästen mit Bambusrohr hat er als großer Tapezierer – sozusagen als wiedererweckter Andy Warhol – zugeschlagen. Auf kachelartigem Wechsel von Rosa und Schwarz ist ein verzogenes Foto-Porträt des Direktors Peter Noever insektenhaft eingestreut. Mit lang gezogenen Ohren darf dieser als Fledermaus oder Zombie die Erinnerung an die Modefarben für Nassräume in den Fünfzigerjahren unterbrechen.

Auch installatives Teamwork mit Heimo Zobernig und Mathis Esterhazy ist Teil der Gesamtinszenierung, die zudem als Anstoß für eine Ergänzung schon vorhandener Sammlungsstücke dienen soll.

Aufzählung Ausstellung

MAK Gegenwartssammlung: Fokus #4 Franz West Kuratorin: Bärbel Vischer bis 28.September Museum für angewandte Kunst Wien

Dienstag, 29. April 2008

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