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Hauptausgabe vom 16.06.2003 - Seite 007
FESTIVAL 4020: Klangmaschine in Kunstuni

Kettenreaktionsmusik

VON IRENE JUDMAYER

Ein mechanischer Wecker, Latten, Röhren, Häfen, Dosen, Kugeln, Vibra- und Xylophon, Modellautos. Ein Kreissägeblatt, Schnüre, Trichter, Hocker, ein Blasbalg, Luftballons, Schläuche, Wasser. Eine Kindergitarre, ein Rad, Saiten, ein kleines Schaukeltier, ein Gockelwecker aus Plastik, der statt zu läuten nonstop "Kikerikiii!" schreit und bei Ausschalten "Guten Morgen" in die Gehörgänge schmettert.

Das schaut zwar nicht aus wie ein Orchester, aber es ist eines. Nämlich jenes, das Michael Bruckner und Martin Hofstetter für das Linzer Musikfestival 4020 unter dem Titel "Wandlerkette" im Galerieraum der Kunstuniversität am Linzer Hauptplatz aufgebaut haben.

Was heißt da "aufgebaut haben" - sie bauen fast ununterbrochen, diverse Fehlstarts ihres Konzerts inklusive. Somit auch diverse, kerniger Fäkalsprache entlehnte Ausdrücke als Intrada enthaltend.

"Tatack, tatack, tatack" geht es dann schließlich doch los. Ausgelöst durch Weckerläuten, Handygebimmel etcetera. Es entspinnt sich eine Kettenreaktionsmusik, ebenso kurios wie das Orchester selbst. "Rassel, Ratter, Plopopop." Erinnerungen an Gsellmanns Weltmaschine werden wach, an die absurden Kettenreaktionen der mechanischen Wunderwerke eines Jean Tinguely.

Ein sehens- und hörenswerter Beitrag, dessen Fragilität auch Überraschungen zulässt.

Begeisterung bei jenen, die sich das kindliche Gemüt und somit den Weg zwischen Kopfstadt und Herzstadt nicht mit den Wackersteinen des exakt Kalkulierbaren verbaut haben.


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