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23.10.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kunstmarkt: Der Hype ist tot, es lebe der Hype
Bei der ersten Londoner Messe für zeitgenössische Kunst, der "Frieze Art Fair", begeisterten österreichische Künstler das Publikum.

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ereinspaziert ins weiße Traumzelt mitten im Londoner Regent's Park, wo der Herbstwind gegen die Wände bretterte und der internationale Kunstzirkus hyperventilierte. Die Ankunft der Superreichen und Mega-sammler ließ den Stimmungspegel auf semihysterisch steigen. Der Hype, der im Vorfeld um die erste Messe für zeitgenössische Kunst in London geschickt lanciert wurde, ging vergangenes Wochenende voll auf. In einer Wolke von "Alles geht hier, alles ist hier, alles sieht man hier - und alles ist unglaublich fashionable" wiegte sich vier Tage lang eine harte Branche im Fiebertraum.

Die Veranstalter vom britischen Kunstmagazin "Frieze" konnten mehr als feiern, ihnen ist es gelungen, in London eine Messe für aktuelle Kunst zu etablieren und sie als ultimativen Event zu verpacken. Welche Messe kann sonst ein Musikprogramm zusammengestellt von Pulp-Bassgitarristen Steve Mackey bieten, ein Restaurant und gleich mehrere Cappuccino-Tränken von Star-Koch Mark Hix ("The Ivy"). Und zwischen all dem Trubel führten 125 streng ausgewählte Galerien aus 16 Ländern, darunter fünf aus Österreich, ihre Spitzenprodukte vor. Immer stärker glich das 11.000 Quadratmeter-Zelt einem tollen Gehege, in dem sich schlussendlich fast doppelt so viele Besucher drängten wie erwartet, nämlich 27.000. Aber in der Schlange stehen, scheint in London Lebenssinn - ob für Sandwiches oder neuerdings eben auch für Kunst.

Seit Anfang der 90er Jahre hat sich Londons Kunstszene ziemlich gemausert. Die neue Tate Modern zieht die Massen an, die Young-British-Artists fielen brutal-plakativ in den Kunstmarkt ein, gepusht unter anderem auch vom "Frieze"-Magazin. Nur Sammler, die gibt es in England auch heute noch nicht ausreichend. "Die Käufer müssen erst erzogen werden", bemerkte einer der Londoner Galeristen, die auf ihrer Heimmesse naturgemäß dominierten. Kein Drama für den neuen Marktplatz: Sammler und Museumsleute wurden aus der ganzen Welt eingeflogen, vor allem aus den USA, wie Österreichs Elite-Galerist Thaddaeus Ropac feststellen konnte. Er leistete sich eine der bei einem Quadratmeterpreis von 260 Euro exklusiven und großen Kojen - und resümierte: "Meine Erwartungen wurden noch übertroffen. Die ,Frieze' könnte sich in Europa als zweitwichtigste Messe nach der ,Art Basel' etablieren."

Zufrieden gaben sich auch die anderen österreichischen Galeristen, die Euphorie schien aber etwas ernüchtert: "Die Verkäufe waren gut, aber normal", fand etwa Ursula Krinzinger. Für Furore sorgte der bei ihr vertretene Erwin Wurm. Bei einer regelrecht gestürmten Aktion stellte er seine "One-minute-sculptures" nach. Als zweiter österreichischer Beitrag wurde die Boy-Group "Gelatin", vertreten durch "Mayer Kainer" (Wien) und Leo Koenig (New York), für die Performance-Schiene der "Frieze" ausgewählt. Splitternackt und diebisch grinsend boten die vier Peter Pans eine anarchistische Show, bei der auch der im Salzburger Sommer für Quietscher sorgende "Arc de Triomphe" wieder belebt wurde. Ein Erlebnis für gute Mägen - und gemeinsam mit Wurm ein insgesamt viel beachteter Auftritt für Österreich. Die Briten lieben es eben punkig - ein Vorteil auch für Elke Krystufek, präsentiert von Georg Kargl (Wien) und der "Gallery Side 2" (Tokyo). Auf seine Österreicher setzte auch Martin Janda und gewann - etwa mit Adriana Czernins bittersüßen Mädchenträumen.

Die Frieze-Messe, ein Ideal? Nicht unbedingt, aber sie legte einen fulminanten Start hin. Verbesserungswürdig sind manche "Toten Enden", in die der Besucherstrom nicht recht fließen wollte. Oder die Kennzeichnung der Non-profit-Projekte. Und von den Ausstellern wünschte man sich mehr Mut zu Einzelpräsentationen. Vielleicht würde ein Sprung in den "homöopatischen" LSD-Springbrunnen des deutschen Künstlers Klaus Weber helfen. Aber auch das muss man sich erst leisten können.

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