Salzburger Nachrichten am 26. April 2003 - Bereich: kultur
Stadtleben im Vergleich

Unter der Führung des neuen Direktors Wolfgang Kos will das Historische Museum der Stadt Wien Bilder der urbanen Gegenwart präsentieren.

WIEN (SN-mo).

Ob es Wien gefällt oder nicht: seit der Öffnung des Eisernen Vorhanges ist die Rolle von Österreichs Hauptstadt eine andere geworden, und nochmals verändert hat sich die Lage seit dem Beitritt Österreichs zur EU. Viele Schutzräume sind damit auf-, aber auch verloren gegangen. Wien steht - wieder - viel offener im internationalen Vergleich. Das lenkt zwar Aufmerksamkeit auf eine der bekanntesten Metropolen Europas, setzt sie aber auch der Konkurrenz aus. Vieles, was die Stadtregierung tut, ist ein Zeichen, dass man in Wien den anderen Wind spürt und entsprechend (re)agiert.

Im vergangenen Jahr hat Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny die Neuordnung der Museen der Stadt Wien als eine seiner wichtigsten Aufgaben in Angriff genommen. Deren Zentrale ist das "Historische Museum" am Karlsplatz; zu den auf das gesamte Stadtgebiet verteilten Filialen gehören unter anderem die Hermes-Villa im Lainzer Tiergarten, Künstlergedenkstätten und das Uhrenmuseum.

Zur Neuordnung gehörten die Ausgliederung des Museums aus dem Haushalt der Stadt und seine Ausstattung mit einem Etat von knapp 15 Millionen Euro im Jahr, die Bestellung neuer Direktoren und die Vorgabe einer inhaltlichen Neuorientierung des Haupthauses.

Nachdem als letzter Schritt der Historiker und vor allem durch seine Radioarbeit bekannte Publizist Wolfgang Kos Ende vergangenen Jahres zum neuen Direktor ab April 2003 bestellt wurde, sind nun alle Weichen gestellt für die Transformation des Historischen Museums in einen Darstellungsraum der urbanen Kultur, wie er dem Kulturstadtrat vorschwebt. Gestern, Freitag, stellte Kos, nunmehr seit 25 Tagen im Amt, seine Pläne zur Verwirklichung dieses Vorhabens vor.

Was Kos als erstes tun möchte ist, die Sammlungstätigkeit bei Objekten der Gegenwart verstärken. Nur so könne ein nachhaltiges Bild der urbanen Kultur hergestellt werden. Das sei in den vergangenen Jahren nicht genug beachtet worden. Für die Ausstellungen des Museums will er "Themen bearbeiten, die in der Stadt Erinnerungsspuren hinterlassen."

Zugleich will Kos einen Schwerpunkt auf "Wien im Vergleich" setzen. "Ein Stadtmuseum muss aufhören, ein offiziöses zu sein", sagte er dazu. Er will die Leistungen, die in Wien vollbracht wurden und auf andere Orte der Welt ausgestrahlt haben, im Spiegel der Leistungen in anderen Städten betrachten. Etwa die auch in Wien vorbildlichen Entwicklungen des urbanen Verkehrs oder die Ausprägung des Stadt-Lebens bei Nacht.

Ebenso soll auf die verschiedenen Kulturen, die in einer Stadt zusammen leben, Bezug genommen werden. Die neuen Projekte werden auch vom Raum abhängig sein. Zur Frage nach Neubauten äußerte sich Stadtrat Mailath-Pokorny vorsichtig und wies eher auf die Möglichkeit hin, das Künstlerhaus für Ausstellungen zu benutzen.

Die Vorhaben von Kos für sein urbanes Museum entsprechen jedenfalls der Situation von Wien, die es einst hatte und sie nun stückweise wieder erlangt: ein vitaler Mitspieler im Konzert der Städte Europas zu sein, das vom Austausch genauso lebt wie vom Vergleich in der Konkurrenz.