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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
25. März 2008
17:32 MEZ
Vorträge (ab 18 Uhr, Beginn jeweils zur vollen Stunde) heute: Anne-Britt Rage u. David Rych, Grada Kilomba, Mara Traumane, am 27. 3.: Kerstin Kellermann, Petja Dimitrova, Martin Krenn. Workshop 28. 3. – 3. 4., tägl. 10.30 – 15 Uhr. Ausstellung bis 19. 4. (Lassingleithnerpl. 2, 1020 Wien)

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Foto: Rage
In Pierre Lionel Mattes "European Rorschach Test" ist Europa auf den Rücken gekippt und nicht mehr das "natürliche Zentrum" der Karte.

Gegen Grenzen im Kopf
"On Xenophobia Redux" – ein Kunstprojekt zum Thema Fremdenangst

Wien – Eine der ältesten Kartografien Europas erschien 1630 im Buch "The discovery of the world", herausgegeben von der berühmten Amsterdamer Familie von Kupferstechern, Kartografen und Verlegern – Hondius. "Kartenmalen" war damals im Zeitalter der Eroberer und Kolonialherren, als Lust an und Angst vor der Fremde zwei Seiten einer Medaille waren, noch keine so nüchterne Angelegenheit. Ganze Geschichten wurden da erzählt, kleine Segelschiffe und allerlei Meeresbewohner in die Weltmeere gezeichnet, kleine Sklaven tummelten sich ...

Nicht ganz ohne Grund scheinen also die Initiatoren des Projekts "xeno.no" (Anne-Britt Rage und David Rych), einer online zugänglichen Plattform und Datenbank zum Thema Xenophobie, diese Karte zum Hintergrundbild der Website gemacht zu haben. Bis heute wirken damals geprägte Ungleichverhältnisse und Bilder des Fremden fort. "Hier", Anne-Britt Rage deutet auf einen gelben Stern auf blauem Grund, "die Flagge von Belgisch-Kongo, einem Kolonialland mit der wohl blutigsten Geschichte. Es sind die gleichen Farben und der gleiche Stern wie in jener der Europäischen Union", weist sie auf eine seltsame Parallelität hin.

Herzstück der Plattform xeno.no ist die Datenbank, die sowohl theoretische, journalistische als auch künstlerische Auseinandersetzungen mit den Themen Fremdenangst, Rassismus und Tendenzen der Ausgrenzung vorstellt. Die umfassende Beschlagwortung macht sowohl die Suche als auch intelligente Verknüpfung von Autoren, Kunstwerken und Texten möglich. Aber auch ihr Newsfeed funktioniert dynamisch und spuckt je nach Begriff und Name tagesaktuelle Texte europäischer Nachrichtenportale aus.

Über das zukünftige Futter für die Datenbank entscheidet ein Redaktionsteam – neben Rage sind das derzeit Mitinitiator und Künstler David Rych, der sich mit kulturellen und soziopolitischen Transformationen beschäftigt, Filmemacherin Hito Steyerl sowie US-Künstlerin Adrian Piper, die schon seit den 1970ern Rassismus zum Thema ihrer Arbeit macht.

Auf Einladung von Künstlerin und Kuratorin Gulsen Bal, die seit Jahresbeginn den betont gesellschaftspolitisch programmierten "Open Space" betreibt, präsentiert sich das kollaborativ konzipierte Projekt xeno.no begleitet von Vorträgen und einem offenen Workshop. "Es geht nicht ums Unterrichten", betont Rage. Vielmehr gehe es darum, die Leute zu ermutigen, sich mit dem Thema Xenophobie zu beschäftigen.

Für die norwegische Künstlerin hat alles mit dem "Phänomen" Jörg Haider begonnen, das sie während ihres Studiums an der Wiener Akademie zu erforschen begann. Es mündete in der Arbeit Fortress Europe (2000) über dreizehn Führer europäischer Rechtsparteien. (Anne Katrin Feßler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 3. 2008)


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