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03.02.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
RAF-Ausstellung: Resozialisierung des Terrors
VON KLAUS DERMUTZ
Im Vorfeld gab es viel Streit, wie man den Terror, der aus Deutschland kam, zeigen sollte. Die Berliner Schau, die nun zustande kam, wirkt nicht glorifizierend, aber zu abstrakt.

Die RAF-Ausstellung in Berlin präsentiert viel Kunst und wenig Reflexionen

Wenn man in der Galerie "Kunst- Werke" auf die vielfachen Per spektiven der Darstellung der RAF blickt, kommt einem 9/11 in den Sinn. Dieses Ereignis wirkt wie eine Barriere für die Wahrnehmung der Schau. Aus den Jahren von 1970-77 wurden zahlreiche Berichte überregionaler deutscher Tageszeitungen (SZ, FAZ, Bild) und Magazine (Stern, Spiegel) ausgewählt, die in der von Klaus Biesenbach, Ellen Blumenstein und Felix Ensslin kuratierten Ausstellung "Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF-Ausstellung" nebeneinander gesetzt werden. Auch die TV-Berichterstattung wird gezeigt.

Ende der 60er Jahre wurde durch die Radikalisierung der RAF die Bundesrepublik der schwierigsten Belastungsprobe ausge-setzt. Die RAF ist, so Stefan Reinecke in seinem Essay, nicht zu verstehen ohne Auschwitz und Vietnam: "Die RAF war ein Ergebnis deutscher Geschichte, sie redete nicht mehr mit den Repräsentanten der Bundesrepublik, sie schoss auf sie."

Joseph Beuys' 1972 entstandene Installation "Dürer, ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die Dokumenta V" mutet wie der Versuch einer Resozialisierung der Terroristen durch die Kunst an.

Die beiden gelben Tafeln mit der schwarzen Schrift hat Beuys in Filzpantoffeln gestellt, die mit Margarine und getrockneten Rosenstielen gefüllt waren. Joseph Beuys' Installation, Gerhard Richters "Atlas"-Tafeln 470-479 und Hans-Peter Feldmanns Zyklus "Die Toten" sind die interessantesten Reflexionen mit dem, so der Soziologe Klaus Theweleit, "Realitätszeichen RAF": "Wir erleben die Überführung der RAF aus einem historischen in einen mythologischen oder folkloristischen Raum. RAF ist zum Zeichen geworden für Anti-Staat, sein Leben aufs Spiel setzen, Gewalt und sexuelle Libertinage. Deshalb sind RAF-Zeichen auf T-Shirts, Stickern, in Musikstücken und Filmen ebenso möglich wie das Che-Guevara-Logo auf Zigarettenpackungen. Damit einher geht Geschichtsvernichtung."

Von den Künstlern werden unterschiedliche Zeitpunkte festgelegt und Gründe genannt, um den RAF-Terrorismus zu reflektieren. Einige der Kunstwerke beziehen sich auf den Tod von Benno Ohnesorg, der am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien erschossen wurde. Der Filmemacher Harun Farocki setzt im Archivraum bei seiner Videoinstallation mit drei TV-Monitoren in der NS-Zeit an.

Wenn man den Kassenbereich passiert hat, fällt der erste Blick auf die Sequenz von Gustav Ucickys Propagandafilm "Die Heimkehr" (1941), in dem Paula Wessely als Lehrerin Marie Thomas im Gefängnis die Heimkehr der Wollhynien-Deutschen ins Reich herbeisehnt. Für Propagandaminister Goebbels war diese Gefängnisszene "das Beste, was je im Film gedreht worden ist".

Das Projekt der RAF-Ausstellung hat seit der Planung sehr heftige Diskussionen ausgelöst. Die zentralen Gegenargumente waren, dass eine RAF-Ausstellung nicht mit Steuergeldern gefördert werden könne und dass eine Glorifizierung der Täter betrieben werde und das Leid der Opfer, ihrer Verwandten und Freunde nicht vorkomme.

Das ursprüngliche Ausstellungsprojekt wurde gekippt. Es wurden private Förderer gesucht und gefunden, um die Darstellung der RAF in den Künsten und Medien möglich zu machen. Die Ausstellung wirkt wie eine heterogene Ansammlung der bereits ausgestellten Arbeiten von Lutz Dammbeck, Hans-Peter Feldmann, Olaf Metzel, Yvonne Rainer, Klaus Staeck, Wolf Vostell, um nur einige der 40 Künstler zu nennen.

Für den Filmregisseur Andres Veiel wurde bei der neuen Konzeption eine Chance vertan, weil die Ausstellung sich der begleitenden Diskussionen und eines Rahmenprogramms entledigt hat. Der soziokulturelle und politische Ansatz, der die Ausstellung ursprünglich in den Kontext und die Fragen unserer Zeit stellen sollte, fehlt nun völlig.

Die Reflexion der RAF im Theater kommt nicht vor. Auch dass Veiels Dokumentarfilm "Black Box BRD" in der obersten der vier Etagen einen eher versteckten Platz in einer Ansammlung von Fernsehmonitoren zugewiesen bekommen hat, ist nicht zu verstehen. Denn Veiel hat sowohl in seinem vielfach preisgekrönten Film als auch im gleichnamigen Buch eine sehr differenzierte Untersuchung der RAF unternommen. Er hat die Vita von Alfred Herrhausen, Direktor der Deutschen Bank, dargestellt, der bei einem RAF-Attentat am 30. 11. 1989 ums Leben kam, und er hat den Weg in den Untergrund von Wolfgang Grams recherchiert, der am 27. 6. 1993 auf den Gleisen des Bahnhofs Bad Kleinen erschossen wurde.

Die Ausstellung zeigt Gemälde, Installationen, Plakate, Medienberichte, eine fragende, neue Denk-Horizonte eröffnende Energie vermisst man bedauerlicherweise.

Bis 16. Mai 2005 in der Berliner Galerie "Kunst-Werke", Auguststraße 69, 10117 Berlin. Der zweibändige, von Klaus Biesenbach herausgegebene Katalog kostet 45 €. Von 24. Juni bis 28. August ist die Ausstellung in der Neuen Galerie in Graz.

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