Ausstellung: Kunst, Architektur, Arbeitswelt
Zigaretten ohne Qualm, dafür aber museumsreif
Von Julia Urbanek
Von der
Arbeit in einer ehemaligen Tabakfabrik.
Das Linzer Werk als Tempel der
Industriegeschichte.
Linz. Visionen für die Zukunft schwirrten
bei der Ars Electronica noch vor kurzer Zeit durch die langen
Produktionshallen der Linzer Tabakfabrik. Die Zukunft des großen
Industriebaues, der seit der Schließung 2009 leersteht, ist allerdings
noch unklar. Mit der Vergangenheit der Tabakfabrik und der
Tabakerzeugung in Österreich beschäftigt sich unterdessen eine
Ausstellung im Linzer Stadtmuseum Nordico.
Kurz bevor die Fabrik für die Übergabe an die Stadt besenrein gemacht
wurde, sicherte man Fundstücke und Mobiliar, die nun neben Fotos,
Zigarettenpackungen und zeitgeschichtlichen Exponaten, zwischen
Tabakpflanzen und Filterpapier zu sehen sind.
Aus der Not geboren
Man siedelte die Tabakfabrik 1850 in Linz aus der Not an, erklärt die
Kuratorin und neue Direktorin des Nordico, Andrea Bina: "Tabakfabriken
entstanden dort, wo es keine Arbeit gab." Zunächst produzierte man in
der ehemaligen Wollzeugfabrik, zwischen 1928 und 1935 wurde der
Erweiterungsbau errichtet, der heute zu den großen Industriebauten der
Moderne gehört. Seinen Architekten, Peter Behrens und Alexander Popp,
ihren Modellen und Plänen ist viel Raum gewidmet.
Kunst am Bau spielte bei der Konzeption der neuen Tabakfabrik eine
große Rolle: Behrens selbst ist in einem Bleiglasfenster von Robin C.
Andersen aus 1935 verewigt. Ein großes Wandfresko von Herbert Dimmel
zeigt Linz, seine Menschen und die Fabrik.
Namhafte Designer
Kunst gab es aber auch für die Produkte, die hier erzeugt wurden:
1928 lud die Austria Tabak Secessions-Künstler zur Gestaltung von
Zigarettenpackungen und für die Deckelinnenbilder ein, für das
Packungsdesign arbeitete man mit Werkbund und Wiener Werkstätte
zusammen. Oswald Haerdtl etwa gestaltete die gestreifte
"Jonny"-Weichpackung, die Trend-Marke war als Reaktion auf die populäre
Krenek-Oper "Jonny spielt auf" entstanden. Die Geschichte der
Zigarettenpackungen wird auch mit "Memphis" von 1898 bis in die
1980er-Jahre gezeigt: Von großen Hunderter-Packungen mit filterlosen
Zigaretten über grüne Flachpackungen, die währen der NS-Zeit auch ein
Hakenkreuz trugen, bis zu Menthol- und Lightzigaretten.
Ein Video zeigt den letzten Tabakexperten bei einer "Verkostung",
andere Aufnahmen zeigen frühere Arbeiter, die an ihren alten
Wirkungsstätten erzählen. Die Tabakfabrik war für ihre Mitarbeiter ein
Paradies: Sie bot ihnen Kindergarten, Wohnhäuser, Betriebsarzt,
Sommerfrische in eigenen Erholungsheimen – und eigene
Personalzigaretten, die vom ehemaligen Instrument gegen Schmuggel nun
zum Museumsobjekt geworden sind.
Ausstellung
Kunst, Architektur, Arbeitswelt
Nordico Museum
Linz
Printausgabe vom Donnerstag, 23.
September 2010
Online seit: Mittwoch, 22. September 2010 19:04:00
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