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Kunstberichte
Kunsthalle Wien: "Fahrstuhl zum Schafott" lotet den Komplex "Noir" aus

Gruftige Inszenierung und schwarze Brandruinen

Feurig und düster: "X" von Banks Violette gemahnt an frühere Zeiten. Foto: der Künstler

Feurig und düster: "X" von Banks Violette gemahnt an frühere Zeiten. Foto: der Künstler

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Sex & Crime im Doppelpack bietet die Kunsthalle. Der "Fahrstuhl zum Schafott" ist nicht unbedingt die Bühne für den Neo-Noir-Film-Klassiker von Louis Malle; aus diesem Film gibt es nur einen Hörraum mit der Filmmusik des Ausnahmetrompeters Miles Davis.

Der für die "schwarze Serie" berühmte Regisseur John Huston hat mit "Der Malteser Falke" von 1930 nach dem Roman Damish Hammetts auch nur eine der Koje an der Seite bekommen. Der Roman selbst liegt aufbereitet wie ein Gral in der Mittelvitrine einer weiteren Koje, die rundum mit einschlägig "coolen" und "dunklen" Zitaten daraus gespickt ist.

Ästhetik des Bösen

Gegenüber auf der Empore hängen die Fotos von Weegee, der eigentlich Arthur Fellig hieß und 1899 in Galizien bei Lemberg geboren wurde. Wegen des damals schon virulenten Antisemitismus emigrierte er mit seinen Eltern 1909 in die USA. Als Polizeifotograf wurden Tatorte und Leichen, Verbrecher und Schaulustige, die er für seine Aufnahmen auch manipulierte, seine Leidenschaft. Das Blitzlicht der Sensationslust paart sich mit der dunklen Stimmung der existentialistischen Philosophie der Nachkriegszeit und führt zur Ästhetisierung des Bösen.

Die interessante Hängung der Erst-Abzüge greift eine Ausstellungsidee des Künstlers auf. Er ordnete in seinen ersten Ausstellungen um 1950 die Schwarzweiß-Fotos in Themen-Gruppen, so wie es der berühmte Kunstwissenschaftler Aby Warburg fast zeitgleich tat. So wird etwa das Wort "Mord" wird zur Pathosinszenierung und kollektiven Bild-Erinnerung.

Die berühmte Zeitepoche wird in der großen Halle vom jungen New Yorker Künstler Banks Violette noch einmal theatralisch aufbereitet. Da steht ein zerstörtes Schlagzeug auf einem Podest und brennt in seinen Wunden: Es riecht nach Brennstoff, ist finster, eine Spiegelwand als Paravent ist zerborsten. Die Scherben sind ein weiteres Zeichen einer "coolen" Jugendkultur zwischen "Black Metal" und "New Goth".

Die schwarze Mischung aller Künste bekommt durch Violette einen stark rückwärts gewandten Blick auf noch ältere Heroen. Die dunkle Stadt des Verbrechens wird ein Neu-Walhalla. Doch Richard Wagners durch die Kunst zur Schönheit erhobener Untergang wird hier als US-Lachnummer inszeniert – eine ganze Männer-Show ist ohne eine einzige Walküre.

An das erfolgreiche Konzept der Vorgänger-Schau "Punk" kann diese Ausstellung trotz begleitendem Film-, Vortrags- und Führungsprogramm für junges Publikum nicht anschließen – auch wenn es diesmal ausnahmsweise brennt.

Aufzählung Ausstellung

Fahrstuhl zum Schafott

Banks Violette, Gerald Matt (Kuratoren) Kunsthalle Wien bis 3. Mai

Printausgabe vom Samstag, 04. April 2009

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