Nach dem heiligen Sebastian untersucht Kurator
Gerald Matt den Mythos Don Juan mit der Literaturwissenschaftlerin Gaby
Hartel in Beispielen der Gegenwartskunst. Zwar schallt Mozarts Musik über
der offenen Halle und seine Noten sowie das Libretto Lorenzo da Pontes
bilden ein geistiges Zentrum in Vitrinentischen.
Doch diese Ausstellung hängt vor allem finanziell nicht mit dem Wiener
Mozartjahr zusammen. Auch sonst sind es Metamorphosen, die von der frühen
Gestalt des herzlosen Verführers nichts übrig lassen.
Als Auftakt werden Filme seit 1953 vorgeführt, dabei die "Don Giovanna"
Brigitte Bardot bei Roger Vadim oder der ironische "Don Juan De Marco" als
Psychodrama mit Marlon Brando und Jonny Depp aus dem Jahr 1995.
In der Literatur finden sich zahlreiche Beispiele von der Romantik bis
zum Prinzessinnen-Hörspiel von Elfriede Jelinek "Der Tod und das Mädchen
IV (Jackie)", die aus der Präsidentinnengattin eine Statue, E.T.A.
Hoffmanns "steinernen Gast", werden lässt. Die sich langsam verändernden
Motive behandeln auch Max Frisch, Peter Handke oder Carlos Castaneda.
Der Verführer als Melancholiker
Aus dem Verführer und Verfolger wird ein Melancholiker, der von zurück
schlagenden Damen selbst flüchten muss – nicht immer in die Geometrie wie
bei Frisch. Es bleiben also nur die zerstückelten Motive von Leidenschaft,
Todessehnsucht, amoralischem Zynismus, auf Verführung folgt Flucht, wobei
Täter- und Opferrollen die Figur Don Juan zuweilen neu erfinden. Das muss
dann nicht so enden wie bei Erwin Wurm, in dessen Video eine Frau mit
ihrer Zunge einen Heizkörper als Liebesobjekt getauscht hat, oder bei
Lilly & Lola, die sich mit Möbeln paaren. Auch wenn Don Juan natürlich
an die verbotenen Leidenschaften appelliert, ist die motivisch eingebaute
Pornografie in der Video-Trilogie von Kiki Seror durchaus nicht mit
Jugendverbot zu belegen. Ein "Ritter der traurigen Gestalt" ist nicht
zensurgefährdet.
Das gilt noch mehr für die komische Tracey Rose oder die anderen
Zerstörungen des Don Juan-Mythos. Wenn Geld ins Spiel kommt oder die
Vermittlung einer Agentur für Seitensprünge, wenn Filme das zeigen, was
sie sonst verbergen, dann stirbt der Traum von dauerhafter Lust.
John F. Kennedy als Don-Juan-Nachfolger
Das 20. Jahrhundert hat offenbar nur einen echten Verführer anzubieten:
John F. Kennedy. Seinem schillernden Leben zwischen dem Bürgerlichen und
dem Verbotenen wird von Zoran Naskovski und von Vlad Monroe je ein
aktueller Kommentar beigefügt. Doch das Opfer ist Kennedy selbst. Der Rest
sind schwere Melancholiker wie Ugo Rondinone, aber auch weibliche, wie Sam
Taylor-Wood mit ihrem Gesellschaftsdrama "Atlantic". Im Kreis unterwegs,
im dauernden Kampf gegen die Zeit, in ständigem, sehnsüchtigen Gedanken an
den Tod.
Fast kommen barocke Gedanken des "Memento mori" durch die Technik des
Loopings zurück. Nachdem das Rätsel gelöst ist, bleibt die Langeweile?
Mitnichten. Denn zumindest in dieser Schau sind eine Menge
intelligenter Anregungen zu finden.
Kuratoren: Gerald Matt, Gabi Hartel
Kunsthalle Wien
(1070, Museumsplatz 1; Bis 16. April
Eine Enträtselung.
Freitag, 24. März
2006