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18. September 2007
14:22 MESZ
Zur Person:
Agnes Husslein-Arco, 1954 geboren, ist eine Enkelin von Herbert Boeckl. 1981 bis 2000 war sie Chefin von Sotheby’s Österreich, 2001 bis 2005 leitete sie das Museum der Moderne in Salzburg. 
Foto: Belvedere
Gegenwärtig wird das Untere Belvedere für Wechselausstellungen umgebaut (Wiedereröffnung am 2. Oktober mit "Wien–Paris"): Husslein und Architekt Wilfried Kühn.

Foto: Newald
Agnes Husslein-Arco hat kein Interesse, die Albertina zu leiten: "Sie ist nach dem Umbau ein sehr schwierig zu führendes Institut!"

Husslein-Arco: "Ich habe keine Geheimnisse"
Der Satz, eine Krähe hacke der anderen kein Auge aus, scheint nicht für die Direktoren der Bundesmuseen zu gelten - Agnes Husslein-Arco im STANDARD-Interview

Belvedere-Chefin Agnes Husslein-Arco im Gespräch mit DER STANDARD über den Clinch um Marktanteile mit Albertina-Macher Klaus Albrecht Schröder.

* * *


Standard: Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder soll sich im Kulturministerium schriftlich über Sie beschwert haben. Stimmt das?

Agnes Husslein-Arco: Ja, es gab in der Folge auch ein gemeinsames Gespräch bei Sektionsleiter Michael Franz. Schröder hielt mir vor, ich würde Personal abwerben. Was aber nicht den Tatsachen entspricht.

Standard: Gab es im letzten Jahr nicht eine Massenflucht der Mitarbeiter ins Belvedere?

Husslein: Seit letztem September haben insgesamt 22 Mitarbeiter die Albertina verlassen. Und von diesen sind nur fünf bei mir. Sie haben sich im Belvedere beworben. Und da sie kompetent sind, habe ich sie gerne aufgenommen. Aber die Anschuldigung des Abwerbens entbehrt jeder Grundlage. Das ist nicht mein Stil. Und wenn jemand mit seinem Arbeitgeber zufrieden ist, kann man ihn wohl kaum abwerben.

Standard: Schröder soll sich zudem beschwert haben, dass Sie ihm mit einer Kokoschka-Schau Konkurrenz machen ...

Husslein: Das Belvedere ist nicht nur das Kompetenzzentrum, sondern auch das bedeutendste Museum für österreichische Kunst. Neben Klimt und Schiele ist Kokoschka ein zentraler Künstler. Und die letzte große Retrospektive liegt drei Jahrzehnte zurück! Dass wir Kokoschkas Frühwerk ab Jänner 2008 zeigen, haben wir bereits im März 2006 bekannt gegeben. Auf unserer Homepage kann man nachlesen, was wir bis 2010 planen. Ich habe keine Geheimnisse. Und war daher schon erstaunt, dass Schröder erst jetzt reagiert. Ich sehe zudem nichts Tragisches an zwei Ausstellungen, die drei Wochen parallel laufen. Denn Schröder zeigt das Spätwerk ab 1932. Und unsere Schau endet 1922. Auch wenn ein Jahrzehnt fehlt: Es wird schwer sein, Kokoschka noch einmal in dieser Tiefe zu sehen.

Standard: Logisch wäre nun eine Zusammenarbeit ...

Husslein: Ich bin an einer Kooperation interessiert, habe ein gemeinsames Ticketing und Kataloge im gleichen Format vorgeschlagen, die in einen Schuber passen. Aber Schröder fühlt sich benachteiligt. Ich hoffe weiterhin auf einen Konsens.

Standard: Ist Schröder nervös angesichts der Konkurrenz?

Husslein: Das müssen Sie ihn fragen. Ich bin mit dem Konzept angetreten, das Belvedere zur Stadt hin zu öffnen. Das passiert nun: Ab Oktober kann man das Museum auch vom Rennweg aus betreten. Zudem wird das umgebaute Untere Belvedere mit Wien–Paris wiedereröffnet. Samt der adaptierten Orangerie ist das Belvedere ein neuer interessanter Platz – nicht nur für Touristen. Wir konnten die Besucherzahl im Sommer um 31 Prozent steigern!

Standard: Zuvor, als Direktorin des Museums der Moderne in Salzburg, haben Sie die Sammlung Batliner als Dauerleihgabe am Mönchsberg präsentiert. Hat sie viele zusätzliche Besucher angelockt?

Husslein: Die Masterpieces waren alle in Salzburg zu sehen, aber es gab nicht annähernd dieses Medienecho. Man muss Schröder gratulieren: Das macht er fabelhaft! Aufgrund meiner Erfahrungen glaube ich aber nicht, dass man in die Albertina pilgern wird. Die Sammlung Batliner kann einem Musée d’Orsay oder MoMA nicht Paroli bieten. Das Belvedere hingegen hat die weltgrößte Klimt- und eine tolle Schielesammlung und eine sehr schöne internationale Sammlung: Wir haben echte Hauptwerke von Monet und van Gogh!

Standard: Die einstige Staatsgalerie wurde erst 1923 zur österreichischen Galerie. Mumok-Direktor Edelbert Köb hält ein Nationalmuseum in der heutigen Zeit für überholt: Er plädiert dafür, das Belvedere als Spezialmuseum für das 19. Jahrhundert zu führen.

Husslein: Ich halte davon gar nichts. Denn noch in den 30er- Jahren wurde gute internationale Kunst angekauft. Zudem reicht die Sammlung vom Mittelalter bis heute. Wir sehen uns als das Museum für österreichische Kunst, die natürlich weitergesammelt werden muss. Deshalb haben wir auch das ehemalige 20er-Haus dazubekommen. Dort wird nach der Wiedereröffnung 2009 österreichische Kunst nach 45 zu sehen sein. Klarerweise im internationalen Kontext.

Standard: Sie konkurrenzieren sich also auch mit Köb.

Husslein: Wir haben in Österreich wesentlich mehr Künstler, als Köb zeigen kann. Er hat weder das Potenzial noch den Platz, um die zeitgenössische Kunst abzudecken. Man kann für die Gegenwartskunst gar nicht genug tun. Ich konkurrenziere mich mit niemandem: Ich nehme meine Aufgabe wahr. Wer soll Kokoschka zeigen, wenn nicht wir?

Standard: Kokoschka musste 1938 nach London fliehen, wurde Brite, lebte in der Schweiz. Eine Retrospektive würde gut ins Mumok passen.

Husslein: Wir zeigen das Frühwerk, das zu einem guten Teil in Wien entstand. Ich halte es für wichtiger als das Spätwerk.

Standard: Angesichts der gegenwärtigen Debatte: Haben Sie Vorschläge für eine Museumsneuordnung?

Husslein: Nein. Grundsätzlich hat jedes Museum einen relativ klaren Auftrag. Aber es stimmt: Schröder führt die Albertina als, wie er sagt, Universalmuseum. Er wassert daher in den Bereichen anderer Museen. Aber man kann es auch positiv sehen: Die Albertina ist ein neuer Global Player. Standard: Schröder sagt zwar, dass er als Albertina-Direktor in Pension gehen will, scheint aber Interesse an den Berliner Staatlichen Museen zu haben. Wenn er weggehen sollte: Würde Sie die Albertina reizen?

Husslein: Nein. Die Albertina ist nach dem Ausbau ein sehr schwierig zu führendes Institut! Und an Leihgaben gebunden zu sein: Das entspricht nicht meinen Vorstellungen.

(Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe,18.09.2007)


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