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Kunstberichte
Die Gemäldegalerie wird neu eröffnet – Direktorin Renate Trnek tritt vorzeitig von ihrem Amt zurück

"Von der Steinzeit in die Gegenwart"

Martin 
Ferdinand Quadal:"Der Aktsaal der Akademie" (1787). Foto: 
Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Martin Ferdinand Quadal:"Der Aktsaal der Akademie" (1787). Foto: Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Von Christof Habres

Aufzählung Gemäldegalerie erstrahlt im neuen Glanz.
Aufzählung Sammlung internationaler Spitzenwerke.
Aufzählung Projektraum "xhibit" als zeitgenössischer Kontrapunkt.

Wien. Manchmal blühen die exklusivsten Blüten im (fast) Verborgenen. Fast jedem kunstinteressierten Wiener ist die Gemäldegalerie in der Akademie der bildenden Künste ein Begriff, wenn auch oft ein recht vager. Manche ordnen sie überhaupt als Teil des Kunsthistorischen Museums ein. Und dass die Sammlung der Gemäldegalerie auf weltweit bekannte Arbeiten aus den verschiedenen Jahrhunderten verweisen kann, ist einer breiteren Öffentlichkeit nahezu unbekannt.

Dabei spielt sie in der Geschichte öffentlicher Museen und Sammlungen in Österreich eine wesentliche Rolle: Einer der letzten, großen aristokratischen Kunstmäzene der Monarchie, Anton Graf Lamberg-Sprinzenstein, bestimmte, dass seine Sammlung nicht nur von der öffentlichen Hand fachgerecht zu betreuen sei, sondern auch, dass sie für jedermann zugänglich gemacht werden müsse. So entstand das erste für jedermann zugängliche Kunstmuseum in Österreich, das nun seit 1877 in Theophil Hansens historistischem Gebäude der Akademie untergebracht ist.

Sammlung als internationale Visitenkarte

Trotz der Tatsache, dass die Sammlung zu den drei bedeutenden Sammlungen Wiens gehört, steht die Gemäldegalerie etwas im Schatten der anderen Museen in Wien. Dem soll nun nach einer dreijährigen Renovierungsphase ein Ende gesetzt werden. Neben infrastrukturellen Umbauten, wie einem einladenden Eingangsbereich, einem Museumsshop und einem Lift, mit dem die Ausstellungssäle leicht zu erreichen sind, entspricht auch die Architektur der Präsentationsräume aktuellen, internationalen Anforderungen und Standards. Selbstverständlich auch, was Klima- und Sicherheitstechnik betrifft. Nebenbei wurden 400 m 2 Lagerflächen und Depoträume für die nicht präsentierten Sammlungsstücke geschaffen.

Die Gesamtinvestition, die von der Akademie, der Gemäldegalerie selbst und hauptsächlich von der BIG (der Bundesimmobiliengesellschaft) getragen wurde, beläuft sich auf 2,5 Millionen Euro. Wobei der Rektor der Akademie, Stephan Schmidt-Wulffen, mit Nachdruck darauf verweist, dass das Wissenschaftsministerium sehr zögerlich und nur in Etappen bereit war, seiner finanziellen Verpflichtung nachzukommen. Bei allen Kabalen im Vorfeld erweist sich das neue Ambiente der Sammlung als großzügig und macht das Flanieren durch die Galerie zu einem Erlebnis.

Doch diesem Erlebnis gingen eben jahrelange Diskussionen voraus, die sich meist um die Position der Galerie und deren Stellenwert innerhalb der Akademie drehten, wie die Direktorin Renate Trnek betont. Selbstverständlich sei sie froh über die Generalsanierung ("Von der Steinzeit in die Gegenwart", so Trnek), aber nichtsdestoweniger sieht sie die Gemäldegalerie stiefmütterlich behandelt. Und nicht nur deswegen, weil sie nun um 20 Prozent weniger Laufmeter als Ausstellungsfläche zur Verfügung hat. Und sie nur mehr die Höhepunkte der Sammlung (etwa 170 Arbeiten) präsentieren kann und nicht mehr einzelne Zyklen wie den bedeutenden Gesamtbestand der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Was natürlich, betrachtet man die Gemäldegalerie als didaktisches Zusatzvehikel der Akademie, einen Interessenskonflikt zwischen dem Streben nach einer breiteren Öffentlichkeit und der Lehre darstellt. Sehenswert ist der gebotene Querschnitt durch die Sammlung allemal: Meisterwerke von Rembrandt, Rubens, Botticelli oder Tizian beweisen die internationale Bedeutung der Sammlung nachdrücklich.

Einen Ansatz zum kunsthistorischen Diskurs bietet ein 600 m 2 großer Ausstellungsraum, der im Zuge der Renovierung mitgeschaffen wurde: der helle, weitläufige Galerienraum "xhibit" für zeitgenössische Kunst und Präsentationen des Kupferstichkabinetts. Das erste Ausstellungsprojekt "Attitude and Canon" (kuratiert von Søren Grammel) beschäftigt sich mit der Sammlung der Gemäldegalerie und stellt Fragen über die Präsentation und Musealisierung von Kunst. Dazu hat der Grazer Kurator den schwedischen Künstler Matts Leiderstam und vier Studierende der Akademie – Alan Cicmak, Eric Kläring, Lisa Lampl und Lisa Rastl – eingeladen, die sich dem Thema mittels Video und (Ton-)Installationen nähern.

Neue Perspektiven dank moderner Neuzugänge

Durch die Gegenüberstellung der beiden Ausstellungsräume gelingt eine spannende und lebendige kunsthistorische Auseinandersetzung. Und eröffnet der Gemäldegalerie neue Perspektiven: Denn in einer Akademie der bildenden Künste mit einem vielfältigen Lehrprogramm und einer internationalen Studentenschaft ist es essenziell, nicht nur die "Alten Meister" zu zeigen, sondern naturgemäß auch die Präsentation zeitgenössischer Ideen und Tendenzen zu fördern.

Das betont auch Rektor Schmidt-Wulffen, der das Moment des "Ausstellens" als wichtigen Bestandteil des Lehrplans und der Ausbildung sieht. Dafür soll, durch die wechselnden Präsentationen, dieser Projektraum ebenfalls dienen. Somit erhöht die Akademie nicht nur für die Studenten ihre Attraktivität, sondern es sollen auch interessierten Besuchern profundere Einblicke in die Geschichte, in die verschiedenen Techniken sowie Strömungen und deren kunsthistorische (Weiter-)Entwicklung ermöglicht werden.

Raumverlust zieht Rücktritt nach sich

Welches Konflikt- und Diskussionspotenzial in dieser unmittelbaren räumlichen Gegenüberstellung steckt, macht die Direktorin der Gemäldegalerie Renate Trnek deutlich: Nach fast 20 Jahren als Leiterin und des oftmalig ermüdenden Antichambrierens für diese Institution erachtet sie einerseits die zeitgenössische Präsentationsplattform als unmittelbare Konkurrenz (da der Galerie nun dieser Platz fehlt) und vertritt andererseits die Meinung, dass beider Grundkonzepte nicht zu verbinden sind.

Daher hat sie die Entscheidung getroffen, dass sie, obwohl sie die Renovierung als sehr gelungen erachtet, mit Ende des Jahres, zwei Jahre vor der vorgesehenen Beendigung ihrer Direktionstätigkeit, von diesem Amt zurücktritt. Eine radikale, eher unösterreichische Lösung.

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Besucher in der wiedereröffneten Gemäldegalerie. Foto: apa

Aufzählung Die Gemäldegalerie der Akademie

Die Akademie der bildenden Künste und ihre Gemäldegalerie bilden seit 1692 eine Symbiose. Das Kaiserhaus legte viel Wert auf die Qualität und internationale Anerkennung der Akademie. Der Festigung dieses Rufs diente auch die Gemäldegalerie, die über eine international anerkannte Sammlung verfügt: unter anderem mit Meisterwerken aus dem italienischen Spätbarock, dem Rokoko und der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Als eines der weltbekannten Hauptwerke gilt das Triptychon "Jüngstes Gericht" von Hieronymus Bosch. Mit der Widmung der Sammlung des Grafen Lamberg-Sprinzenstein 1822 wird die Gemäldegalerie zum ersten öffentlich zugänglichen Museum Österreichs.



Printausgabe vom Donnerstag, 23. September 2010
Online seit: Mittwoch, 22. September 2010 19:12:00

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