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Kunstberichte
Das Museum auf Abruf zeigt "Stark bewölkt. Flüchtige Erscheinungen des Himmels"

Wolkenfest mit Schlagobers

Eine "Schlagoberslandschaft" (Ausschnitt), festgehalten von Elfriede Mejchar. Foto: Mejchar/Museum auf Abruf

Eine "Schlagoberslandschaft" (Ausschnitt), festgehalten von Elfriede Mejchar. Foto: Mejchar/Museum auf Abruf

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Eigentlich sind sie flüchtiger Wasserdampf. Aber Wolken können viel auslösen. Vor allem in der Kunst. Früher lasen Priester aus ihren Formen gar das Schicksal der Welt ab. Die Auguren von heute sind drei Kuratoren, die aus der Sammlung der Stadt Wien alles an Gewölk aufgespürt haben. "Stark bewölkt. Flüchtige Erscheinungen des Himmels" ist das Resultat der Erkenntnis, dass nicht nur der Barock mit all seinen Heiligen und Engeln auf den weißen Luftpolstern, sondern auch die Gegenwartskunst umwölkte Köpfe hat.

Eine Ausstellung, die einfängt, was sich zwischen Abstraktion und Realität so alles in ständiger Dynamik an Gewittertürmen zusammenbraut.

Es gibt wahre Spezialisten dafür in der Fotografie, die mit Alfred Stieglitz’ Serie von 1922 bis 1935 ein großes Vorbild haben. Etwas Besonderes ist die Wand mit Eva Schlegels Übertragungen von Xerokopien auf Kreidegrund, mit Elfriede Mejchars getönten "Schlagoberslandschaften" und Julie Monacos künstlichem Wolkengebräu über Plastikmeer.

Trude Rind war schon in den Achtzigerjahren für ihre Fixierung des Himmels auf Polaroid bekannt. Sie ist eine Besessene, doch in der Malerei können Ona B. und Helmut Swoboda als beständige Wolkenfänger durchaus mithalten. Am Rande gehört auch die reine Farbwolkenmalerei hierher, die ab den Fünfzigerjahren von Amerika über Künstler wie Wolfgang Hollegha hinweggezogen ist.

Hubert Roithner zeigt mit "Air", dass die Abstraktion nicht selten wolkenhaft wirkt – oder, dass wir Wolken sehen, wo Leere ist. Selber gemachte Wolken führt uns Jochen Traar mit seinen Kondensstreifen von Flugzeugen vor Augen: "Man made Skies" wäre auch Slogan für die Atomwolken, die unsere Zeit offenbar kaum bewegen.

Künstliche Welten

Gefahrenzonen gibt es dennoch durch künstliche Welten, die nur schön scheinen – so bei Herwig Kempingers Computerfotografie oder den eingehängten Draht- und Polyesterobjekten "Cumulus humilis" von Helga Cmelka. Spitze Bleistiftstriche fressen die Wolkenfotos von Meina Schellander an; Jupiter, der verliebte Wettergott, ziert die ironische Figur von Lea Titz.

Wer nur in Wolken-

kuckucksheim schwelgen möchte, hat dazu Gelegenheit in Siegrun Appelts Diashow – die Nachtspezialistin hält sich auch gern im feuchten Zwischenreich auf. Bei Robert Zeppel-Sperl wachsen dann die Götter der balinesischen Mythologien aus bunten Wolken wie bei Sebastian Weissenbacher Kitsch-Schäfchen.

Der Atem chinesischer Riesen oder der Speichel der babylonischen Dämonin Tiamat findet sich im wolkenreichen Katalog, der von den Orphikern über die Kelten bis Adalbert Stifter und John Constable fast alles vereint, was in unseren "Wolkenkalotten" – so der Titel des Werks von Gottfried Ecker – abläuft. Wolkenbrüche gibt es fast keine und auch wenig Wolkenlosigkeit. Kein Wunder bei dem Wetter draußen.

Aufzählung Ausstellung

Stark bewölkt.

Flüchtige Erscheinungen des Himmels Kuratoren: Berthold Ecker, Johannes Karel, Timm Starl Museum auf Abruf (1010, Felderstraße 6-8) Zu sehen bis 30. Mai

Printausgabe vom Freitag, 06. März 2009

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