Weibels Abrechnung mit dem Joanneum
Rundumschlag. Die Neue Galerie Graz werde marginalisiert, sagt Chefkurator Peter Weibel. Mit dem Kunsthaus tobt ein Machtkampf.
MARTIN BEHR GRAZ (SN). Der seit Jahren schwelende Konkurrenzkampf zwischen dem Grazer Kunsthaus und der Neuen Galerie Graz, ausgetragen durch Peter Pakesch und Peter Weibel, eskaliert. Weibel, der Chefkurator der Neuen Galerie, attackierte am Samstag die Leitung des Universalmuseums Joanneum (hier sind Pakesch und Wolfgang Muchitsch die Geschäftsführer) massiv: „Man will uns absichtlich marginalisieren und an den Rand drängen.“
Die seit 1941 bestehende Neue Galerie hat am Samstag ihren Standort in der Grazer Sackstraße für immer geschlossen. Dort, wo der einstige Leiter Wilfried Skreiner etwa die „Neue Malerei in Österreich“ international salonfähig gemacht hat, wird ab 2011 die Joanneum-Kunstgewerbesammlung einziehen. Die Neue Galerie übersiedelt in das Joanneum-Hauptgebäude im neu entstehenden Museumsviertel in der Raubergasse.
„Wir wollten das, ja, aber unsere Gefühle sind mittlerweile gemischt“, sagt Peter Weibel. Warum? „Die Neue Galerie wird dort nur einen Hintereingang haben, die Besucher müssen schon Glück haben, wenn sie uns überhaupt finden“, kritisiert der 65-jährige Chefkurator, der auch als Vorstand des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe fungiert. Weibel kritisiert weiter „eingeschränkte Autonomie und Handlungefreiheit“, man verfüge über kein Werbungsbudget, die vom Joanneum auferlegte Bürokratisierung lähme die Handlungskompetenz der Neuen Galerie. Die Institution brauche ein gewisses Maß an Freiheit, sonst könne sie ihre auch international geschätzte Kompetenz nicht ausspielen: „Wenn sich nichts ändert, sind wir in zehn Jahren vielleicht nicht mehr konkurrenzfähig. Das hat die Geschäftsführung bis heute nicht verstanden.“
Auch finanziell stehe man mit dem Rücken zur Wand, erklärte Weibel. Das jährliche Ausstellungsbudget für das Haus, das bereits sehr früh Einzelausstellungen etwa von Olafur Eliasson, William Kentridge, Rudolf Stingl oder Erwin Wurm gezeigt hat, betrage inklusive Bundesförderung 470.000 Euro. „Das ist die Hälfte von der Summe, die die aktuelle Warhol-Ausstellung im Grazer Kunsthaus gekostet hat“, sagt Peter Weibel. Zudem werde die wissenschaftliche Arbeit der Galerie, die über eine bedeutende Sammlung und eine reiche Bibliothek verfügt, kontinuierlich behindert. Peter Weibel: „Bei uns wird immer gespart, aber im Kunsthaus gibt es für jede Kleinigkeit gleich sechs Mitarbeiter.“
Bei Peter Pakesch und Wolfgang Muchitsch stößt die Kritik des Kurators, Theoretikers und Künstlers weitgehend auf Kopfschütteln. Von einer Marginalisierung der Neuen Galerie könne keine Rede sein, die Übersiedelung in das Haupthaus komme vielmehr eine Aufwertung gleich, betonte Peter Pakesch in einer ersten Reaktion.
Die Kritik an der Eingangssituation am neuen Standort kommentiert er so: „Anscheinend kann Weibel keine Pläne lesen.“ Pakesch spricht von „Missverständnissen“, die entstanden sein könnten, weil „Weibel leider eben selten in Graz ist“.