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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
05. Dezember 2006
17:01 MEZ
Bis 1. April  
Foto: STANDARD/Heribert Corn
Elke Krystufek hat die Osterinseln erkundet, um das MAK zu erforschen.

Ideale Vormieterküche
Elke Krystufek hat das Wiener MAK neu arran­giert: Sie hat symbolisch weggeworfen, was ihr als Ballast erschien, und Beifügungen angebracht, wo Mangel herrschte...

... Jetzt ist viel mehr Krystufek im Museum für angewandte Kunst.


Wien – "Mein Ziel ist es", schreibt Elke Krystufek, " die Kustodinnen zur Dezimierung ihrer Sammlungen zu überreden." Schließlich gibt es ja Ebay, die diversen Auktionshäuser, den guten alten Tauschhandel, die Mülltonnen. Und angesichts der Depots, eingedenk aller vor Licht, Klima und Berührung rabiat geschützt aufbewahrter Gegenstände drängt sich in einem Museum für angewandte Kunst schon die Frage auf, wozu bewahrt werden soll, was gerade dadurch doch jedem Gebrauch entzogen wird.

Und außerdem will so ein Exponatenfriedhof ja auch noch gepflegt werden, ist ungemein personal- und damit kostenintensiv. Jedenfalls ist es einem einmal der Sammlung einverleibten Objekt nicht gestattet, unterzugehen. Womit auch seinem tatsächlichen oder vermittels kunsthistorischen Indizienbeweises nahe gelegten Schöpfer strikt verboten ist, dem Vergessen anheim zu fallen. (Am Beispiel des 1975 bewusst verschwundenen holländischen Künstlers Bas Jan Adler, der eben eine Renaissance erfährt, thematisiert Krystufek die Dynamik posthumer Vereinnahmung.)

Und überhaupt, was soll ein geiler japanischer Farbholzschnitt im Depot? Wen soll er dort animieren, wem die Säfte ins Wallen bringen? Viel besser wäre der Abzug doch etwa in Krystufeks Küche aufgehoben, als ein Versatzstück von Welt, unter unzähligen anderen an die Kastln geheftet, bereit, im Bedarfsfall zu wirken. Und, bei dieser Gelegenheit, auch Margarete Schütte-Lihotzkys Idee von der praktischen Küche darf man nicht zu pragmatisch verstehen. Schließlich kocht nicht jeder unentwegt für seine Passivfamilie, und Vorratshaltung kann auch ganz individuellen Prinzipien folgen.

Elke Krystufek hat ihre Neubauvormieterküche ins MAK gestellt – samt allem, was dar-in funktionsfern so aufbewahrt wird. Und rundherum hat sie, dem privaten Muster gemäß, die Bestände des MAK im Verein mit eigenen arrangiert. Man sieht: Eine mögliche Ordnung, ein Szenario, von dem aus mit den Objekten an ein Leben zu denken wäre, eine für Krystufek produktive Umgebung.

Selbstverständlich sind die Objekte aus den Sammlungen des MAK auch dabei immer noch vor der Künstlerin geschützt, bleiben deren Kommentare und Vorschläge zur weiteren bzw. anderen Verwendung der eingelagerten Artefakte nur Randbemerkungen, die nichts an der Integrität der heiligen Exponate ändern.

Einige Monate hat Elke Krystufek im Haus verbracht, Kustoden die Sinnfrage gestellt, Möbel als Vorbilder genutzt, die Bibliothek als intimen Ort. Sie hat die Exponate als Vorwurf betrachtet und diesem Eigenes entgegengestellt. Fotos sind dabei entstanden, und irgendwie auch hat sich alles auf Krystufeks Selbstbild ausgewirkt. Dutzende Porträts zeugen vom Einfluss des Seins im und mit dem Institut.

Ergebnis: Liquid Logic. The height of Knowledge and the Speed of Thought, ein lustvoller Parcours durch die Schnittmenge zweier Welten samt dokumentiertem Ausflug auf die Osterinseln. Elke Krystufek hat sich über Jahre hinweg ermächtigt, hat vereinnahmt, was ihr brauchbar erschien, genommen, was anregend wirkte, verwendet, was nahe liegend war, hat an ihrem und mit ihrem Körper erprobt, was eben anstand. "Meine Kunst kommt von mir", sagt sie, "nicht von Können".

Und sie kommt vom Schauen. Und so hat Elke Krystufek sich eben auf Einladung hin das MAK angeschaut, hat das Haus auseinandergenommen, auf für sie im Moment Relevantes reduziert, und damit zunächst eines geschafft: Die Hierarchien aufzuheben, denen gemäß die Objekte üblicherweise katalogisiert und ausgestellt werden. Der Ordnung nach Herkunft, Alter, Wert, Seltenheit, Material und Verarbeitung hat sie ihre Themen entgegengestellt.

Was lässt sich in der Sammlung finden bezüglich Gehirn, Religion, Vagina und Heirat? Was lässt sich mit dieser Sammlung noch anstellen, inwiefern taugen diese Objekte dazu, das Jetzt zu beeinflussen, inwiefern kann man sie überhaupt noch brauchen? Muss alles überleben? Wer will, kann Elke Krystufeks tief greifende Intervention als Institutionskritik verstehen, die sich nicht in der Produktion von stets neuem theoretischen Ballast erschöpft, sondern vielmehr im Moment handgreiflich wird. Ihr Museum ist es jetzt temporär geworden, und wer will, ist eingeladen, es auch zu teilen. Er darf sich nur nicht daran stoßen, dass im Krystufek-MAK Akte gleich welcher Natur nicht der Verbannung ins Kabinett unterliegen. (Markus Mittringer /DER STANDARD, Printausgabe, 06.12.2006)


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