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Drucken am eigenen Mythos

02.04.2009 | 18:44 |  (Die Presse)

Das Kunst Haus Wien zeigt 130 druckgrafische Blätter Picassos aus der Sammlung Huizinga.

„Ich male so, wie andere ihre Autobiografie schreiben“, beschrieb Pablo Picasso seinen manischen Arbeitsstil. Ob Kentaur, Faun, Stierkämpfer, Eule oder Künstler im Atelier – mit allem meinte Picasso sich selbst. Seine Frauen runden dieses gewaltige Selbstporträt, das sein umfangreiches Werk darstellt, sozusagen ab, sie standen, lagen, saßen ihm Modell, solange sie ihn interessierten, künstlerisch wie privat, Dora Maar, Marie-Thérèse Walter, Francoise Gilot, Jaqueline Roque, wir kennen die Geschichten...

Anhand von 130 druckgrafischen Blättern aus 50 Jahren werden sie im Kunst Haus Wien noch einmal erzählt, ohne gröbere neue Erkenntnisse, aber es liegt schließlich nicht jeden Tag eine derart umfassende Picasso-Personale vor der Haustür. Die Arbeiten, vor allem Lithografien und Radierungen, kommen aus der Sammlung von Gert Huizinga, die den Grundstock des im Jahr 2000 eröffneten Picasso-Museums in Münster darstellt. Der 1927 geborene westfälische Sammler war Studienkollege des Künstlers Horst Janssen, verdiente sich sein Brot dann aber als Gebrauchsgrafiker. Anfang der 50er-Jahre kaufte er seinen ersten Picasso, einen Linolschnitt. Er lernte Marie-Thérèse Walter, die ehemalige Lebensgefährtin Picassos, kennen, die ihm mehr verkaufte. Und freundete sich mit dem Pariser Drucker Picassos, Fernand Mourlot, an, der ihm noch mehr verkaufte, darunter seltene Zustandsdrucke. 2001 konnte das Museum in Münster, in dem Huizinga seine Kollektion schließlich öffentlich zugänglich machte, noch die gesamte „Suite Vollard“ erwerben, die in den 1930er-Jahren entstandene, berühmte Druckfolge für Verleger Ambroise Vollard, bevölkert von mythologischen Wesen, berichtend von Picassos neoklassizistischer Phase. Die alljährlichen Sommeraufenthalte am Mittelmeer scheinen den Künstler regelmäßig zum Fabelwesen gemacht zu haben, die Natur ließ den Faun und Kentauren in ihm wachsen. Die Ausstellung zeigt diese Wandlung auf so wunderbar sanfte wie orgiastische Weise, einmal scheint der Atem des Kentauren die Schlafende nur zärtlich am Ohr zu kitzeln, dann wiederum prostet er über einen anderen nackten Körper, der hingegossen auf seinem Schoß liegt, Saufkumpan Bacchus zu.

 

So nachtaktiv wie eine Eule

In thematische Gruppen geordnet ziehen im Kunst Haus Stierkampfszenen vorbei, einige Stillleben, der Maler und seine Modelle – Marie-Thérèses angeschnittenes Gesicht im Profil, fast fotorealistisch, leuchtet hier heraus, Fotos von Lucien Clergue zeigen den alten Meister der Selbstinszenierung, am Ende steht die an zwei Tagen im Jänner 1947 in verschiedenen Versionen gedruckte Eule, die auf einer Sessellehne hockt – so nachtaktiv wie Picasso, so stechende runde Augen wie Picasso. sp

Untere Weißgerberstr. 13, bis 5. Juli, tägl. 10–19h, Eintritt neun Euro, erm. sieben Euro.


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