Kunstsinnig
Laus- oder Beelzebuben?
Von Claudia Aigner
Seit einer Woche grübelst du, lieber Leser, jetzt
schon über die postpubertäre Spätmoderne nach und kommst einfach nicht
dahinter, was es damit auf sich hat. (Äh, du denkst natürlich über die
postmoderne Spätpubertät nach, mitunter eine "Sehrspätpubertät" und im
Extremfall eine "Permanentpubertät", besonders weil sie gar nicht mehr
aufhören will und der Mensch ein Gewohnheitstier ist.) Wirst du,
geschätzter Alphabet, werter Buchstaben-Kundiger, wohl heute Erlösung
finden? Ich endete letztens mit Elke Krystufek und ihrer
naturalistischen Entleerungsshow, einer Katharsis-Performance, die in
einer einzigen Geste bestand: der Stilles-Örtchen-Geste. Ziel der Geste
war noch dazu ein Glaskelch, der nichts, aber auch gar nichts
verheimlichte und obendrein einem liturgischen Gefäß zum Verwechseln
ähnlich war. Und was hat das mit der Pubertät zu tun? Was hat das nicht
mit der Pubertät zu tun? Da rebelliert eine, die da schon ungefähr dreißig
ist, gegen die kindliche Peinlichkeits-, pardon: Reinlichkeitserziehung,
gegen die Tabus der großen Erwachsenen. Die Toilettenspülung ist ja
tatsächlich ein Werkzeug der Verdrängung (wie das Deodorant im übrigen
auch). Und immer mehr Leute leisten sich heutzutage zweite Flegeljahre
(sofern die ersten überhaupt beendet werden), also ein drittes Trotzalter.
Wahrscheinlich ist es eine Nebenwirkung des Jugendkults. (Und die
Krystufek trotzt und flegelt eben mit dem Darm und anderen Körperteilen.)
Und das Duo Deutschbauer und Spring aus der Anarcho-Humorszene (Lachen
ist, wenn man trotzdem Humor hat): Satanisten oder Pubertierende?
Beelzebuben oder Lausbuben? Bei den beiden, die jenseits von Gut und
Besser herumblödeln, bestehen durchaus teuflische Verdachtsmomente. Denn
waren nicht sie es, die den Kreuzweg in einer Fotoserie in eine
Säuferpassion umgeschrieben haben? Mit zwei Alkoholikern (Deutschbauer und
Spring selbst), die in der Wüste austrocknen und dann am dritten Tage
wiederaufgetankt werden, am Wirtshaustisch (oder an irgendeinem andern
Tag, da legen sie sich nicht fest)? Kurz: Sie, die sowieso keine
Schamgrenze mehr kennen, ziehen den Kreuzestod Christi in die Niederungen
der Heurigenbänke herab. Das fügt sich nahtlos in ihre andern
Respektlosigkeiten. Früher sagte man Midlifecrisis dazu. Heute sagt man
Spätpubertät. Ich denke etwa an ihren eigentlich schon unmoralischen
Faschismusvergnügungspark, in dem man sogar den KZ-Abenteuerurlauber mimen
kann und zwar keinen Gipfelsieg auf einem Leichenberg erringen muss, aber
immerhin ein perverses Erinnerungsfoto von sich, mit "KZ-Lokalkolorit",
machen lassen kann. Man muss ja nur das Gesicht durch die Aussparung in
jenem lebensgroßen Foto stecken, das aufgeschichtete Leichname zeigt.
Die Hölle ist ja nicht einmal mehr ein Ort
Und die
prinzipielle Bereitschaft zur Geschmacklosigkeit und Banalisierung paart
sich halt dann und wann auch mit der Blasphemie. Speziell in einem
"katholischen Land". Hemmschwelle ist ja keine mehr da. Und es ist auch
keine Mutprobe mehr, das Holzkreuz über der Klassentür umzudrehen und
einen Kreis darüber zu malen, seit es die Inquisition nicht mehr gibt,
aber das Beichtgeheimnis schon noch. Aus Christus eine Frau zu machen,
taugt einfach nicht mehr zum Initiationsritus, um ein vollwertiges
Mitglied der Pubertät zu werden, in Zeiten, wo die Hölle nicht einmal mehr
ein Ort, sondern lediglich "ein Zustand" ist, das posthume Gefühl, ohne
Gott auskommen zu müssen (das Atheisten ja bereits zu Lebzeiten haben).
Und gehört diese "lässige Gottlosigkeit" und der verspielte, verniedlichte
Satanismus, dieser "Satanismus light", nicht ohnedies zum Zeitgeist? Davon
zeugen nicht zuletzt jene Kleidungsstücke, die den intimsten Körperkontakt
haben. Die Socken? Nein, die Unterwäsche, nämlich jene Exemplare, die
Sprachrohre der Hölle sind. Zu denen aber ein andermal. cai
Erschienen am: 04.02.2005 |
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