Die Augnerin

Die österreichische Künstlerin Christine de Grancy zählt zu den Top-Fotografinnen unserer Zeit.


Christine de Grancys Lebenslauf ähnelt vielen ihrer Generation: in Brünn im Krieg geboren, aufgewachsen in Graz, im benachbarten Österreich Anfang der 60er Jahre. Nach einer Ausbildung zur Keramikerin und Graphikerin übersiedelt sie in das aufregendere Wien. Dort findet sie Freunde, deren intellektuelle Spiritualität dem herrschenden Gleichmut Ärger bereiteten.

Die Leica

Sie trifft, begleitet und wird begleitet von André Heller, Erika Pluhar oder Gabriele Brandenstein, einer damals schon sehr bekannten Lichtbildnerin. Ende der 70er Jahre kam dann der große Durchbruch. Mit ein Grund dafür waren wohl de Grancys Reisen und die Leica, die sie immer bei sich hatte.

Im Wiener Prater, 1979 / ©Bild: Christine de Grancy / Agentur Anzenberger
Im Wiener Prater, 1979 / ©Bild: Christine de Grancy / Agentur Anzenberger

"Sie ist wie eine Heimatlose, auf der Suche nach dem Heimatbegriff der anderen, vor allem jener, die keine Informationslobby versammeln und beanspruchen können. Sie unternimmt Reisen in ferne, unwirtliche und unruhige Länder, vollgestellt mit Menschen, die in anderer Geschwindigkeit, unter anderen Befindlichkeiten leben. Diese will uns de Grancy näher bringen, dafür lebt und arbeitet sie", schwärmt das WestLicht-Team.

Die Reisen

Eine ihrer wichtigsten Reisen führt in die Westsahara, zur Befreiungsbewegung Polisario. Es entsteht eine Arbeit, noch getragen von der damals herrschenden Post-Achtundsechziger-Revolutions-Romantik.

Danach unternimmt sie etliche Erkundungen im islamischen Raum: es sind oft Richtigstellungen, Klischees verneinend - und heute notwendiger denn je sind. Es folgen ausgedehnte Reisen nach Russland während der Zeit der Perestrojka. Also zu einer Zeit, in der das Land im Umbruch ist - bis hin zum Zerfall des Kommunismus und den Wehen seiner Nachkommenschaft.

Spannender Wandel

De Grancy, erlebt die spannende Zeit des politischen Umbruchs, der den Menschen oft Unerträgliches abverlangte. Die mittlerweile zur Star-Fotografin avancierte Künstlerin, deren Leben selbst von Unsicherheit geprägt war, kann sich nun die Verunsicherung der anderen einverleiben. "Wenn man so will, machen ihre Bilder das Politische privat. Und umgekehrt", erklären das Team von "WestLicht".

Die Augnerin

Auch André Heller, der die Eröffnungs-Laudatio hielt, ist seit Jahrzehnten von de Grancys Beobachtungskunst beeindruckt: "Aus verarmten Adel stammt sie und bestellt zu allen Jahreszeiten den Boden mit ihren eigenen Händen. Bei den Leuten der Gegend heißt sie respektvoll 'Augnerin'. Und die Früchte ihrer Felder sind Genauigkeit und eine kostbare Art des Schauens."

"Diese Ernte verwandelt sie seit 30 Jahren zu Lichtbildern, die von den Einfühlsamen in Stadt und Land Bewunderung erfahren, weil eine Kraft und Schönheit darin wohnt, die den Betrachter für gewöhnlich fähiger werden lässt. Sie hat ein umfassendes Weltbild und gibt dem Ausdruck in umfassenden Bildern der Welt. Man muss sie auch eine politische Künstlerin nennen, eine Chronistin der Wunden und der Zurückweisungen, eine Reporterin der verlorenen Unschuld und der allzu vielen aus der Gnade gefallenen", so André Heller.

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