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Kunstberichte

Als die Götter fliegen und schwimmen lernten

Das Kunsthistorische Museum zeigt den "Triumph des Körpers": Werke von Bildhauer Giambologna
Illustration
- Schwerelos weist „Merkur“ den Weg nach oben.  Foto: KHM

Schwerelos weist „Merkur“ den Weg nach oben. Foto: KHM

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Es ist eigentlich ein Widerspruch, dass ein Bildhauer gerade die Schwerelosigkeit als Überthema für seine Figuren wählt. Dazu werden sie auch noch gedreht, gelängt und auf Zehenspitzen gestellt. Das klingt fast modern – die Rede ist aber von Jean Boulogne (1529 bis 1608), der am Hof der Medici seinen Künstlernamen Giambologna bekam. Doch nicht nur diese Familie sammelte Figuren aus Marmor, Silber und Bronze in allen Größen von ihm – in Prag saß zu dieser Zeit Kaiser Rudolf II. und wollte nichts lieber, als diesen Künstler an seinen Hof zu holen.

Florenz, Wien, Dresden

Obwohl Giambologna in Italien blieb, schaffte es Rudolf II., dieser Liebhaber der Alchemie und der Wunderkammern, 25 Plastiken zu erwerben. Leider sind im Dreißigjährigen Krieg zwei Drittel davon verloren gegangen, aber neben Florenz und Wien besitzt nur noch Dresden Werkgruppen von ihm.

In Wien gab es 1978 eine Ausstellung über den Künstler, nun hat sich erst kürzlich Florenz entschlossen, ihm eine Personale im Museo Nazionale del Bargello zu widmen. Der Austausch lag nahe und Kuratorin Claudia Kryza-Gersch hat die kleinere Wiener Variante nicht zufällig "Triumph des Körpers" betitelt.

Kostbare Leihgaben

Natürlich konnten die großen Marmorfiguren oder Bronzen nicht alle transportiert werden – es ist aber der lebensgroße Merkur aus dem Bargello hier und als weibliches Gegenüber die "Fiorenza" aus der Villa Petraia. Die Sensation ist dabei, dass diese Werke erstmals Italien verlassen.

Dazu hat ein Schweizer Privatsammler sich bis September von seiner marmornen "Fata Morgana" getrennt, deren Torso durch ehemalige Situierung als Brunnenfigur in der Villa "Il Riposo" nahe Florenz begründet ist: Sie tauchte dort aus einem Muschelbecken auf – zur Freude des ersten Förderers, Bernardo Vecchietti. ie Schau stellt zum ersten Mal alle bekannten Varianten des "Merkur" nebeneinander, wobei die Entwicklung vom laufenden zu einem geradezu fliegenden Gott erstmals zu beobachten ist. Giambologna gelang es, nach Michelangelos Dominanz in Rom, mit teilweise an der Antike orientierten Figuren, vor allem seinen Raub- und Zweikampfszenen, einen neuen Stil etablieren.

Badende Nymphen

Im Gegensatz zu Michelangelo konnte er dem weiblichen Körper, den badenden, schlafenden und geraubten Nymphen sichtlich viel abgewinnen. Er traf mit seinen vielfältigen Ideen und dem eleganten, sinnlichen und sehr höfischen Geschmack ins Schwarze, über lange Zeit blieb er Vorbild für die nachfolgenden Generationen.

Sein Geheimnis: genaue Kenntnis der antiken Plastik, eine gute Werkstatt, eine noch bessere Technik und eine gute Propaganda für seine teils ausgefallenen Themen.

Da liegt so manche geraubte Nymphe schon einmal fast erfreut am Rücken des Räubers, doch auch Details wie Muskeln, ein über die ausgeprägte Schulter eines kräftigen Herkules baumelnder Eber, Androgynität oder feine Gesichtszüge beherrscht der Flame, da er die Natur stärker beobachtet als die Italiener.

Ergänzend zu seinen zahlreichen Kleinbronzen sind auch einige fragile Wachs- und Terrakotta-Modelle aus London und anderen internationalen Museen dabei. Gemälde zeigen seine berühmten Sammler, aber auch ihn selbst: Er blickt herausfordernd und selbstbewusst auf den Betrachter wie einer, der von seinem eigenen Können überzeugt ist.

Triumph des Körpers

Werke von Giambologna

Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Museo Nazionale del Bargello Florenz

Kunsthistorisches Museum

Di - So 10 bis 18 Uhr

Donnerstag 10 bis 21 Uhr

http://www.khm.at/

Claudia Kryza-Gersch (Kur.)

Bis 17. Semptember

Elegantissimo.

Dienstag, 27. Juni 2006


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