Quer durch Galerien
Gravitation ist ja so brutal
Von Claudia Aigner
Weil eine Schreibmaschine schwerer ist
als Luft und weil der Boden unten ist: Was schon Newtons Apfel so
unprätentiös bravourös gekonnt hat (von oben runterzukommen), das bringt
Misha Strojs Schreibmaschine unter erschwert akrobatischen Bedingungen
zustande, nämlich wenn sie vorher sogar noch einen senkrechten Wurf nach
oben absolviert. Freilich ist ihr das nur einmal in ihrem Leben geglückt,
zumal sie dann dort, wo die Erdbeschleunigung ungebremst auf den Erdboden
trifft, zerschellt ist, also auf dem Asphalt. In Strojs
kreativ-physikalischem bzw. poetisch-philosophischem Wälzer "moma. the
museum of the mechanical age" soll ein Foto vom physikalischen Experiment
mit der Schreibmaschine (die da aber noch in der Luft ist) folgendes
Problem illustrieren: "Das Problem der Sprunghaftigkeit und der
Legitimationswut. Die Formierung der Zeichen." Hä? (Anders ausgedrückt: Na
servas.) In einer Zeichnung hat Stroj dann übrigens 381 Bestandteile der
Schreibmaschinenanatomie penibel aufgelistet und hat Inventur gemacht wie
ein Gerichtsmediziner, nachdem die Schreibmaschine ja ohnedies vom freien
Fall (und dann wohl endgültig von einem Schraubenzieher) in ihre
Einzelteile "seziert" worden ist. Was will er uns damit bloß sagen? "Wie
brutal die Wöd is oder . . . ach, ka Ohnung." (Also sprach Jane Doe, die
ich immer in besonders kniffligen Kunstsituationen konsultiere und die
anonym bleiben möchte.) Brutal war natürlich auch die Sache mit dem
Eisschnellläufer Offenberger, dessen Gleichgewichtssinn dereinst im
ungünstigsten Augenblick (kurz vor dem Ziel) vor der Rutschgefahr namens
Eis kapituliert hat. Dieses Scheitern in letzter Sekunde lässt Stroj nicht
verjähren und potenziert etwa die Unglücksbeine: spickt eine Kugel mit so
etwas wie Gipsbeinen mit Kufen. Na ja: Zu viele Kufen (oder Gipsverbände)
verderben trotzdem die Beinarbeit. Strojs kryptisch physikalische Objekte
sind ja relativ unhübsch. Aber sehr abenteuerlich unterhaltsam. Bis 27.
Juni bei Kerstin Engholm (Schleifmühlgasse 3). Bis 24. Juni beim
Hilger (Dorotheergasse 5): "Life is beautiful", also: Das Leben ist schön.
Und dermaßen physisch, dass die eigenen Körperfunktionen mitunter nicht
mehr ausreichen. Zumindest bei Peter Klasen, der auf seine perfekt
gedruckten Leiber medizinisches und sonstiges leibhaftiges Gerät montiert
(Sauerstoffmasken, Spritzen, Voltmeter . . .). Und der sich bei Filmen,
Magazinen und der nackten Realität bedient und dessen konzentrierte,
beinah klinisch sterile Bildwelt voller Eros und Thanatos ist (zum
Beispiel dem "Thanatos" am Steuer). Überall intensive Blicke und Gesten
aus Medizin, Pornografie und anderen zwischenmenschlichen Bereichen. Die
"Nachtschwester": ein Nackerpatzl, vermutlich mit Betthupferlfunktion. Und
mit direktem Einfluss auf den Blutdruck des Patienten, den die Nackt-,
pardon: Nachtschwester betreut. Das dürfte wohl die Botschaft des
Blutdruckmessgeräts sein. Rundum gut gemachte, psychologisch aufgeladene
Bilder, die dem Betrachter zwar Stimmungen suggerieren, ihm aber trotzdem
noch seine eigenen Assoziationen lassen. Und bis 27. Juni beim Lindner
(Schmalzhofgasse 13): Heiner Thiel. "Na ja, einfärbige Bilder halt", traut
man sich zu seinen industriell gefärbten, gewölbten Aluminiumtafeln ja gar
nicht zu sagen. Denn die Farben sind alles andere als frigid, nämlich für
die Streicheleinheiten des Lichts, die sie wie Parabolantennen auffangen,
so empfänglich, dass man den Bildern schon einen Pinsel unterstellen
möchte. Ziemlich sinnlich.
Erschienen am: 20.06.2003 |
. |
Quer durch Galerien
Morak eröffnete Coreographic Centre Linz (CCL)
Festwochen: "Forever Young" nach T. Williams, bearbeitet von
Castorf
Galerie Ulysses: Neue Bilder von Arnulf Rainer
Kühmeier, Larsen, Sim, Armentia und Esposito ausgezeichnet
|
. |