Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien live

Dekolleté aus der Hölle

(cai) Nein, das ist nicht die Liebespuppe vom Reinhold Messner. Kein weiblicher Yeti also. Kein platonisches Kuschelmonster ohne zwischenmenschliche Körperöffnungen. Dieser große weiße "Teddybär" mit den Brüsten von Helene Fourment, der zweiten Gattin des Rubens (oder eher mit dem unverrückbaren Busen von einer Verdammten aus Hieronymus Boschs Hölle), ist die exakte Kopie von Alma Mahler. Oder eigentlich die Rekonstruktion jenes Alma-Nackt-Doubles, das sich Kokoschka dereinst in Liebesnöten und aus Sehnsucht nach der verflossenen Geliebten bei einer Puppenmacherin bestellt hat.

Freilich hat auch er sich etwas anderes vorgestellt gehabt als Yeti-Sex. Denn was ein Weib gewordener zarter Pfirsich hätte werden sollen, seine Muse, geriet zu einer Körperbehaarungskatastrophe mit Elephantiasis, die obendrein das Eisbärenfell vorm Kamin glaubwürdig hätte doubeln können, weshalb Kokoschka diese Fratze der Realität irgendwann aus Notwehr enthauptet hat. Jetzt ließ Kerstin Cmelka sie wiederauferstehen als charismatisch grauslichen Star in einer Schau voller lehrreicher Doppelgänger und didaktischer Gegenüberstellungen (Regisseure trichtern ihren Schauspielerinnen Gesten ein, die die gelehrigen Schülerinnen dann brav nachmachen), wo die Frage im Raum schwebt: Wie authentisch sind wir und unsre Bewegungen überhaupt?

Auf einer imposant leeren Bühne: Die Spuren der Beinarbeit jener Männer, die am Eröffnungsabend eine epigonale Gebärdensprache darboten, sprich: deren Füße (und Leiber) fließend die Dialekte "Fred Astaire" und "Gene Kelly" sprachen. Man kann sich des Eindrucks nicht immer erwehren, das wären alles bloß Illustrationen zu einer soziologischen Abhandlung.

---

Babel für Verkehrssünder

(cai) Hans Weigand ist sowieso ein Gesamtkunstwerk: ein musizierender Maler und Computermaus-Streichler mit B-Movie-Allüren – oder so. Mit einem deutlichen Hang zu Hieronymus Bosch, der wilde Dinge geschaut hat, aber wahrscheinlich trotzdem kein verfrühter Drogenvisionär war, kein Proto-Hippie. Und auch hinter Weigands Prachtstück "Roads to Babylon" (würde sich gut als Flügelaltar in einer Drive-in-Kirche eignen) versteckt sich ein bisserl der Bosch. Die wilde Autobahn-Konstruktion ist gewiss der "Highway to Hell". Nur fährt man da sicher nicht wie zu Boschs PS-schwachen Zeiten gemütlich mit dem Heuwagen an den Ort der ewigen Verdammnis, sondern mit dem Reisebus oder dem Privat-Pkw. Dazwischen: unter anderem mediale Bilder der gemeinen, pyromanischen Hölle (tote Afrikaner, ein brennender Lieferwagen). Aber nirgends ein endzeitlich sadistischer Verkehrspolizist.

---

Groupies auf dem Mond

(cai) Georg Kargls Schmuckkästchen, die "Box", nimmt Carol Bove mit konzeptueller Nostalgie und intellektueller Ästhetik in Besitz. Anscheinend millimetergenau einjustierte Stücke mit 60er- und 70er-Jahre-Flair. Nicht zuletzt parkt da ein Mond-Atlas (damals sind ja die ersten Mondgroupies auf dem treuen Erdtrabanten gelandet). Und ein Vorhang aus genau 20.000 Perlen ist exakt nach Norden ausgerichtet.

Kunstraum NOE

Herrengasse 13)

Kerstin Cmelka

Bis 04. März

Di., Mi., Fr. 11 bis 19 Uhr

Do. 11 bis 20 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Pädagogisch.

---

Galerie Senn

(Schleifmühlgasse 1)

Hans Weigand

Bis 18. März

Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Wie Bosch mit Auto.

---

Kargl Box

(Schleifmühlgasse 5)

Carol Bove

Bis 18. März

Di., Mi., Fr. 11 bis 19 Uhr

Do. 11 bis 20 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Geile Präzision.

Mittwoch, 22. Februar 2006


Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at