VON CHRISTA DIETRICH E-MAIL:
christa.dietrich@vn.vol.at
Bregenz (VN) Sollte man in der Nähe des
Bregenzer Kunsthauses - etwa im KUB-Café - französische
Gesprächsfetzen aufgefangen haben, in denen von Regen, Schnee oder
Nebel die Rede war, so handelte es sich nicht um eine Diskussion
über die momentane Wetterlage oder die Straßenverhältnisse in den
französischen Alpen. Wer sich da unterhielt, gehörte vermutlich zu
jenem Team, das mithalf die Ausstellung von Pierre Huyghe
aufzubauen. Der vierzigjährige Franzose (Teilnehmer an der
"documenta" und der Biennale in Venedig) lässt es im Kunsthaus
schneien.
Wie geht das? möchte man einmal ganz naiv und nicht im
Hinblick auf das künstlerische Konzept, das zu diesen
Witterungsverhältnissen innerhalb der Zumthor'schen Glashaut führte,
fragen. Die Antwort lässt auf sich warten, denn mit Schnee, Eis,
Regen, Nebel (und was Pierre Huyghe sonst noch forderte) hatten die
Kunsthausmitarbeiter bislang wenig zu tun.
Gut, Nebel verlangte schon der Isländer Olafur Eliasson, als er
vor gut einem Jahr das Haus im wahrsten Sinne des Wortes mit
Arbeiten füllte, die haarschaf an der Schnittstelle zwischen Kunst
und Natur angesiedelt sind. Ein Stockwerk wurde geflutet,
Wasserlinsen suggerierten den Besuchern eine Teichlandschaft. Aber
Eis und Schnee und dazu noch eine Lichtchoreographie, die die
Betrachter abheben lässt?
Dennoch Poesie
Kunsthausdirektor Eckhard Schneider verweist darauf,
dass man immer schon mit innovativen Vorarlberger Firmen
zusammengearbeitet hat, die das scheinbar Unmögliche möglich
machten. Nun musste der Radius erweitert werden, aber die
Zusammenarbeit mit dem Studio von Huyghe, weiteren Firmen, den
Haustechnikern und dem Kurator Rudolf Sagmeister habe schließlich
den Erfolg erbracht. Hofft er zumindest, denn angesichts dieser
Vorgaben traut er sich nicht so einfach festzuhalten, dass ab
Samstag, wenn die Ausstellung dann öffentlich zugänglich ist,
wirklich alle erforderlichen Witterungen durchgespielt werden
können. Schneider: "Kunst bleibt immer Fiktion, Poesie, Imagination,
das große Potenzial jüngerer Künstler ist, dass sie wieder die
Realzeit und den Realraum eingeführt haben."
Auch Theater ist immer noch spannend, wenn man weiß, wie einige
Effekte erzeugt werden, deshalb sei verraten, dass der Schnee aus
abgeschabtem Eis besteht und über eine spezielle Anlage ins Haus
geblasen wird. Höchstwahrscheinlich auch in den Außenraum. Wundern
Sie sich also nicht, wenn es in Bregenz Ende September schon
schneit.
Sinnestäuschungen
Huyghe, dem es unter anderem um das Phänomen Wahrnehmung
und verschiedene Erzählformen in der Kunst geht, hat die Figur des
Arthur Gordon Pym aus einer Novelle von Edgar Allan Poe zur
Grundlage dieser Arbeit gewählt. Pym, der nur ein Südpolabenteuer
erleben will, wird zum Protagonisten einer rätselhaften Geschichte,
die weit mehr ist als eine Persiflage auf die fantastischen
Reiseschilderungen des 19. Jahrhunderts. Einsamkeit,
Sinnestäuschungen und Lebendig-begraben-Sein werden zu den
beherrschenden Themen.
Aber darüber wird noch zu berichten sein, wenn dann wirklich der
erste Schnee im Kunsthaus fällt . . .
Pierre Huyghe im Kunsthaus Bregenz: Eisfläche und
(demnächst auch) Schneeflocken im Zumthor-Bau.
Das technische Risiko war groß, aber mein Team hat bis zum
Schluss die Nerven bewahrt.
KUB-DIREKTOR ECKHARD SCHNEIDER