Neiss: Farben im Brennglas
Wo Worte schweigen, entwirft so manches Bild eine Ahnung von
Wirklichkeit. Es ist gerade die Welt der Fotografie, die mithilfe des
Schweigens Wahrheiten für den Bildbetrachter ins Bewusstsein rücken kann.
Eine konstruierte Wahrheit, die im Spiegel der Camera obscura zu sehen
ist. Welcher Teil des Bildes auch nach der unmittelbaren Wahrnehmung
weiterbestehen kann, bleibt speziell bei der jüngsten Fotoserie "Die
Farben des Fremden" von der Wiener Fotografin, Bildhauerin und Malerin
Beatrix Neiss dem Betrachter und der Betrachterin überlassen. Bildlich
festgehaltene Momentaufnahmen, die den Augenblick im Prisma seiner Farben
auffächern. Während jede Form ihre eigene Individualität besitzt und bis
zu einem gewissen Grad mit Worten "transportiert" werden kann, können
Fotos darüber hinaus eine "Sprache" entwickeln, die eine neue Dimension
der Begegnung schaffen. Und eben dieses Kommunizieren und Kennenlernen der
Formen und Begegnungen will Beatrix Neiss im Foto-Zyklus "Die Farben des
Fremden" zum Ausdruck bringen. Die Stimme, die in den Fotos zu hören ist
bzw. als innere Stimme mitschwingt, hat Farben und Nuancen. Es ist die
Stimme der lebhaften Neugierde an der Mitwelt, an Fragestellungen des
Lebens und an der Freude. Menschen tragen ihre Zeichen in eine Stadt. Sie
kommen mit ihrer Geschichte von Orten, die uns fremd erscheinen. Jeder
Ort, jeder Kulturkreis ist mit bestimmten Farben verwoben. Auch der
vielstrapazierte Begriff multikultureller Vielfalt ist eng mit Farben
verbunden. Die Fotos von Beatrix Neiss wirken wie ein scheinbares
Sich-Einfühlen in die Welt des so genannten Fremden. Farben vermischen
sich, finden zu neuen Nuancen und Konturen und wachsen in eine nächste
Generation, die möglicherweise an die Grundfarbe eines Ortes erinnert.
FarbträgerInnen, ob Person oder Form, sind wie BotschafterInnen und wecken
über den Kosmos der Farben Gedanken in uns. Die Palette der daran
gekoppelten Emotionen ist vielschichtig und bewegt sich zwischen den Polen
von Freude und Angst. Impulse, die Beatrix Neiss oft auch über eine
doppelte Optik spielt. Quasi dazwischen geschaltene Brenngläser, die den
Blick des Betrachters und der Betrachterin neu fokussieren. Gleichzeitig
wird eine Sichtweise kreiert, die mitunter auch Alltägliches in ein
fremdes Licht taucht. Oder umgekehrt für das Auge des Betrachters Schritte
zurechtlegt, um selbst als Gast im Reich der Farben miteinbezogen zu
werden. Über den Kosmos der Fotos werden Gedankennetze ausgeworfen,
die manchmal auch als Schmunzeln zurückkommen. Der Bildzauber liegt in der
unausgesprochenen Bedeutung des Gesehenen. In der Kombinatorik der Bilder
entsteht ein Zeitgefüge, das jenseits der blanken Oberfläche angesiedelt
scheint. Vielmehr aber zeigt das innere Auge von Beatrix Neiss Nuancen
einer Sehnsucht, die an ein Miteinander glaubt und fest verbunden scheint
im Kosmos der kreativen Welt. Fotografieren ist für Beatrix Neiss wie
Bildhauen und Malen - einem inneren Rhythmus folgend, die Suche nach
Ausdruck und Form. In jedem Fall aber ist es eine feine, eine leise Welt,
die Beatrix Neiss in ihren Arbeiten nachspürt. Geleitet von der Neugierde,
werden klare, lebendige Antworten mithilfe der Fotokamera bisweilen wieder
als Frage zurückgeworfen. Gleich einer Schatten- und Lichtwerferin für
alle diejenigen, die einer anderen Sichtweise begegnen wollen. Die
Ausstellung "Die Farben des Fremden" von Beatrix Neiss ist bis zum 7. Juni
im Interkulttheater (1060 Wien, Fillgradergasse 16) zu sehen.
Erschienen am: 09.05.2003 |
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