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Kunstberichte

Die Kunst im großen Traumbogen

"Verrückte Liebe": Das BA-CA-Kunstforum Wien zeigt Werke der Sammlung von Ulla und Heiner Pietzsch
„Zwei Frauen“ von Leonor Fini (1939) aus der Sammlung Pietzsch.  Foto: VBK Wien

„Zwei Frauen“ von Leonor Fini (1939) aus der Sammlung Pietzsch. Foto: VBK Wien

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Es ist der Romantitel "Verrückte Liebe" von André Breton, der dieser Schau ihren poetischen Titel gibt. "Von Dali bis Bacon. Surreale Kunst aus der Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch" beschreibt dann die Tatsache einer wesentlichen Sicht auf die Kunst des 20. Jahrhunderts.

Surrealismus und Abstraktion – vor allem der abstrakte Expressionismus der amerikanischen Nachkriegskunst – sind eng verbunden. Das Berliner Sammlerpaar konnte sich dabei auch mit zwei individuellen Ansätzen einigen: Sie liebt den europäischen Surrealismus, er die amerikanische Wendung zur Gegenwart.

Es ist auch ein Stück Geschichte der Emigration vieler Künstler aus Europa nach Mexiko und Nordamerika, wo vor allem Roberto Matta und Arshile Gorky die aus dem Unterbewusstsein kommende "automatische Handschrift" weitergaben. Dieses größtenteils abstrakte Linien- und Fleckengerüst eines Bildes konnte auch aus "Frottage" und "Fumage" gewonnen werden.

Zufälliger Abdruck und Spur des rußigen Rauchs einer Kerze gibt den "reinen psychischen Automatismus" noch unkontrollierter wieder: Ihre Meister sind Max Ernst und der wenig bekannte Österreicher Wolfgang Paalen.

Besondere Stücke

Von Max Ernst hat das Ehepaar Pietzsch noch persönlich gekauft – sie besitzen selbst die Skulpturengruppe "Capricorn", die er 1948 vor sein Haus in Arizona gestellt hatte. Eine berühmte Fotografie zeigt ihn und seine Frau, die Malerin Dorothea Tanning, damit zu "my family" vereint. Das besondere Gemälde der Tanning, "Spannung" von 1942, ist Plakat- und Katalogmotiv. Aber auch von Leonor Fini und Leonora Carrington, sind auffallend gute Werke vorhanden. Der surreale Picasso widmete sich der "Arabesken-Frau" und ist nicht minder interessant als "Ikarus" von Jackson Pollock. Auch Mark Rothko, Adolph Gottlieb und Barnett Newman lernt man hier von ihrer unbekannteren, surrealen Ausgangsbasis kennen. Dazu erweitern Frida Kahlo und Diego Rivera, Rene Magritte und Paul Delvaux sowie die spielerischen Blätter "Köstlicher Kadaver" von Breton, den Eluards, Tristan Tzara und Valentine Hugo den Blick nicht nur geografisch.

Skulpturen, neben Ernst von Alberto Giacometti, die sexuellen Puppenvisionen Hans Bellmers, die frühen "Mobiles" von Alexander Calder, die organischen "Konkretionen" des Dadaisten Hans Arp und die zwischen kubischer und surrealer Form spielenden Bronzen von Jacques Lipchitz und Henri Laurens, stehen zwischen den Bildern, Zeichnungen, Fotografien und Zeitschriften.

In dem großen Bogen über die dunkle "Allmacht des Traums" in der Kunst, der nicht zuletzt von Sigmund Freuds Theorien ausgelöst wurde, können auch Francis Bacon, Rebecca Horn oder der Hyperrealist Duane Hanson mühelos eingeordnet werden.

BA-CA Kunstforum:

Bis 18. Juni

Kuratoren: Evelyn Benesch/Ingried Brugger

Magische Wegbereiter.

Mittwoch, 08. März 2006


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