Ein
Raum: weiße Wände, grauer Fußboden, hohe Decke, leere Flächen. Ein
typischer Ausstellungsraum, der so, wie er sich darstellt, ganz dem
White Cube entspricht, den die Moderne als verbindlichen Standard für
die Präsentation von Kunst festgeschrieben hat. Eine Besonderheit des
Raums ist ein Pfeiler in seiner Mitte. Dieses an sich unauffällige
Merkmal hat Luiza Margan, 1983 in Rijeka geborene, seit 2006 mit
Unterbrechungen in Wien lebende Künstlerin, zum Ausgangspunkt ihres
jüngsten Projektes genommen und ihm in ihrer Video-Performance „Moving
Pillar“ eine zentrale Rolle zugewiesen.
Kopf durch die Wand. Wenn
man unvermittelt und unvorbereitet vor „Moving Pillar“ zu stehen kommt,
etwa bei der aktuellen Gruppenausstellung „Extreme“ im Kunstraum
Niederösterreich, könnte man meinen, hier sei ein Kampf dokumentiert.
Immer wieder wirft sich die Protagonistin in diesem Filmloop von beiden
Seiten gegen dieses zentral ins Bild gesetzte Stück Architektur. Bald
stemmt sie den Kopf gegen den Pfeiler, bald tritt sie ihn mit den
Füßen, ein drittes Mal versucht sie ihn über dem Kopf mit bloßen Händen
wegzudrücken. Die Tonspur des Videos unterstreicht die extreme
Angespanntheit der Situation, transportiert deren konzentrierte Stille,
die nur ab und zu unterbrochen wird von angestrengten Atemzügen der
Protagonistin oder dem Klackern ihrer hohen Absätze.
„Ich habe in
dem Video versucht, die Wand zu verschieben“, sagt Luiza Margan, wohl
wissend, dass sie damit ein Paradoxon ausspricht. „Immer wenn ich an
diese Wand dachte, musste ich an körperliche Phänomene wie
Zerbrechlichkeit, Müdigkeit und Erschöpfung denken.“ Kein Zufall, dass
sie das Video nun just auf jene Wand projiziert hat, um die es in dem
Loop geht: die Darbietungsform gleichsam als Rache der Künstlerin an
der Tücke des Objekts.
Mit und ohne Worte.
Der Körper in seiner Zerbrechlichkeit und in seiner Position in der
Gesellschaft ist ein Leitthema von Margans Kunst. Damit stellt sie auch
die Sprache, die Kommunikation und deren Konventionen auf den
Prüfstand. Dafür steht auch das Inventar ihres Studioateliers, in dem
der Schreibtisch mit dem Laptop den meisten Platz einnimmt: Da finden
sich einige riesige Glasplatten, ein an einem Nagel fixiertes
Springseil, etliche Holzverstrebungen, eine Gruppe unzeitgemäß
kleinformatiger Fotoprints von einer Performance, in der neben der
Hauptakteurin auch der Flakturm im Augarten und ein in das
„Sprachorgan“ Mund geschossener Schneeball wichtige Rollen innehatten:
Also wird eine historisch aufgeladene Situation zur Kulisse eines
ausgelassenen Spiels, bei dem das Sprechen unterdrückt wird.
„Der
Körper ist als etwas Zerbrechliches, ebenso Teil meiner Arbeit wie die
Sprache, die sich ihrerseits durch die Geschichte entwickelt hat und
durch sie geprägt ist. Es geht dabei immer um Möglichkeit und
Unmöglichkeit, was ich in verschiedenen Medien zu artikulieren
versuche.“ Video wird für Luiza Margan immer mehr zur bevorzugten
Möglichkeit, diese Fragen gesellschaftlich zu positionieren – auch
indem sie sie ad absurdum führt. So verfremdete sie 2010 bei einer
Einzelausstellung im Wiener „Weißen Haus“ das dort bei jeder
Ausstellung eingesetzte Kunstvermittlungsformat „Video-Interview“, für
das die ausgestellten Künstler eine Reihe standardisierter Fragen
beantworten: Was ist der Schwerpunkt deiner Arbeit? Mit welchen Themen
setzt du dich in deiner Arbeit auseinander? Mit welchen Materialien und
Medien arbeitest du vorwiegend?
Margan wechselte die Seite und
stellte die Fragen einer „Icefisherwoman“, die von der akuten Sorge
berichtete, beim Angeln in ein Eisloch zu fallen oder die Fische mit
lauten Geräuschen zu verschrecken. „Eigentlich muss ich meistens
schweigen. Außerdem versuche ich, den Eisbären auszuweichen, weil sie
immer hungrig sind und versuchen, mir die Fische wegzunehmen.“ Die
Absurdität dieser Antworten entfaltet im Kontext der Ausstellung durch
die poetische Geste der Verschiebung auch einen allgemeinen,
gesellschaftlichen Anspruch.
Übersetzertätigkeit.
„Ich suche in meiner Umgebung Dinge, die ich in eine künstlerische
Sprache übersetzen kann“, sagt Margan, „sei es im historischen
Zusammenhang oder im Alltag. Die Frage ist immer: Wie positioniere ich
mich? Auf die Kunst bezogen heißt das für mich: ,Wie extrem kann man in
der Kunst sein? Wie weit kann man gehen?‘ Und um auf die
Kunstraum-Ausstellung zurückzukommen, lautet die Antwort daher für mich
eigentlich: ,Extrem oder auch nicht‘.“