Kultur

Melancholische Männer aus Holz

17.02.2007 | SN
Ist es ein Stück Holz? Ist es ein Mensch? Zu solchem Vexierspiel verführt der deutsche Bildhauer Stephan Balkenhol im Salzburger Museum der Moderne. HEDWIG KAINBERGER

HEDWIG KAINBERGER SALZBURG (SN). Die meisten Männer haben schwarze Hosen und weiße Hemden an, stehen mit leeren Händen da und blicken ohne Lächeln irgendwohin. Wenn dem nicht so ist, heißen sie "Mann mit geschlossenen Augen" oder "Mann mit grünem Hemd". Die Frauen tragen meist ärmellose, knielange Kleider und Kurzhaar- oder Pagenschnitt. Figuren wie diese, die der deutsche Bildhauer Stephan Balkenhol geschnitzt hat, sind ab heute, Samstag, im Salzburger Museum der Moderne auf dem Mönchsberg zu betrachten (bis 24. Juni).

Alles bloß Holz! Nacktes, grobes Holz, sei es Buche, Pappel, Linde, Eiche oder afrikanisches Wawaholz. Stephan Balkenhol lässt die Oberfläche so grob, dass sich jeder, der mit dem Finger über eine Frauenwade striche, einen Schiefer einzöge. Holzfasern, Sprünge im Holzblock, Spuren des Schnitzens sind sichtbar, und der Sockel ist Teil des Ganzen: Die Skulpturen sind nicht draufgestellt, sondern herausgehauen aus den dicken Stämmen, auf denen sie stehen. Und doch: Da sind nicht Holzstücke, sondern kleine und große Wesen. Stephan Balkenhols Skulpturen sind wie Personen, scheinbar anwesend, jede für sich stehend.

Warum gelingt dieses zauberhafte Vexierspiel zwischen Holz und Mensch? "Ich versuche, die Figur frei zu machen von dem ganzen Ballast", erläutert Stephan Balkenhol im SN-Gespräch in Salzburg. "Ich vermeide die expressiven Ausdrücke, die man so lesen kann wie: Das ist der Lustige, das ist der Fröhliche, das ist der Traurige." Aus Haltung und Gesicht dieser Figuren sei nicht abzulesen, ob sie reich oder arm, traurig oder lustig, alt oder jung seien. Dieser "offene Zustand" vermittle einen "höheren Grad von Lebendigkeit", als wenn die Laune, die Stimmung eindeutig wäre. "Ein ausdrucksstarkes Gesicht (einer Skulptur, Anm.) finde ich tot, weil es so eingefroren ist."

Dem Betrachter eröffnet dieses Uneindeutige den Raum für Interpretation. "Es changiert - je nachdem, in welchem Zustand man (der Betrachter, Anm.) selbst ist" oder je nach Licht, sagt Stephan Balkenhol. "Ich will nicht, dass man denkt, da steht ein Stück Holz. Es geht ja darum, dass man eine neue Wirklichkeit schafft und formuliert. Es geht um die Bildhaftigkeit von Existenz."

"Spannend ist der Ewigkeitsmoment" Auf die Frage, welche Künstler ihn beeindrucken, entgegnet der Bildhauer: "Ich habe keine direkten Vorbilder." Im Gespräch erwähnt er beiläufig Alberto Giacometti und dessen Erkenntnis, dass afrikanische Masken dem menschlichen Gesicht näher kämen als römische Porträtbüsten. Er nennt David Smith, Donald Judd und gotische Plastik. Mehrmals kreist das Gespräch um ägyptische Skulpturen und deren rätselhafte Ernsthaftigkeit. "Spannend ist dieser Ewigkeitsmoment - dass man weiß, die sind zigtausend Jahre alt, und zugleich denkt man: Den hab ich grad noch an der Tankstelle gesehen."

Ans Ägyptische erinnern auch einige Variationen von Balkenhols Figuren: Menschen mit Tierköpfen, wie der Elefantenmann, die Katzenfrau und der Mann mit Schlange.

Eines der jüngsten Werke, die in der Salzburger Ausstellung gezeigt werden, ist ein Raum mit vier kleinen Männern als Eckfiguren und einer großen Sitzenden in der Mitte. In letzter Zeit hat Stephan Balkenhol auch immer wieder Skulptur und Wandbild kombiniert: Hinter der Holzfigur hängt er eine Holztafel mit geometrischen oder abstrakten Mustern (siehe Bild).

Die in Salzburg gezeigte Retrospektive war im Vorjahr in der Kunsthalle Baden-Baden und bis Ende Jänner 2007 im Museum Küppersmühle in Duisburg. Deren Leiter, Walter Smerling, ist zudem künstlerischer Leiter der Salzburg Foundation, die bisher - finanziert von Mäzenen - fünf Skulpturen im öffentlichen Raum für die Stadt Salzburg anfertigen hat lassen und fünf weitere plant. Nach Anselm Kiefer, Mario Merz, Martina Abramovic, Markus Lüpertz und James Turrell wurde Ende des Vorjahres Stephan Balkenhol nominiert, um heuer ein Kunstwerk im öffentlichen Raum in Salzburg zu schaffen. Demnächst soll beschlossen werden, wo, wie und aus welchem Material (vermutlich Bronze) diese Skulptur sein wird.

Salzburg, Duisburg und Paris Die Verbindung des Salzburger Museums der Moderne zu Duisburg, mit der Balkenhol-Retrospektive begonnen, wird demnächst fortgesetzt: Ab Anfang März werden auf dem Mönchsberg Bilder von Anselm Kiefer gezeigt. Diese sind Leihgaben der Sammlung Grothe, die Walter Smerling bzw. die von ihm geleitete "Stiftung für Kunst und Kultur" betreut. Im Herbst könnten weitere Bilder Anselm Kiefers als Leihgaben nach Salzburg kommen, die derzeit im Guggenheim-Museum in Bilbao sind.

Stephan Balkenhol ist mit Salzburg bereits vertraut, da er von der Galerie Ropac vertreten wird. Diese hat zuletzt Anfang 2005 in der Kast-Villa seine Arbeiten präsentiert. Ab 14. April wird Thaddäus Ropac in seiner Pariser Galerie Werke Stephan Balkenhols zeigen, die dieser, wie er im SN-Gespräch sagte, in den nächsten Wochen anfertigen wird.

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