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10.04.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
VIennafair: Glamour im Dreivierteltakt
VON ALMUTH SPIEGLER
Eine Messe rollt an: mit guten Sammlern, aber noch zu wenig Besuchern.

Und plötzlich geht es los. Im Wiener Messezentrum. Im Dreivierteltakt. Blecherne Walzerklänge schallen durch die zweite "Viennafair", freundliche Herren begrüßen das sich schnell neugierig zusammenrottende Publikum vor dem Stand der Warschauer "Program Galerie" - "Hello, Welcome", sagen sie und schütteln den Verwunderten die Hände. Doch niemand blickt ihnen in die Augen. Denn nebenan auf einem Tisch entledigt sich gerade ein Mädchen ihrer Jeans und Unterwäsche. Blickt splitternackt lächelnd in die Runde - und zieht sich wieder an. "Goodbye, thank you", sagen die Herren. Und vorbei ist der aktionistische Spuk.

"Artmarket/Kunsthandel" hieß diese Performance der polnischen Künstlergruppe "lódz kaliska". Ihre "echten" Galeristen konnten Samstagnachmittag zu diesem Zynismus bereits nur mehr happy grinsen. Sie hatten alle Magazincover-Holzreliefs von Wojtek Zasadni verkauft und auch einige der fotografierten Textil-Zufallsblüten von Markiewicz Malgorzata. Außerdem konnten sie gute Kontakte einfädeln und wurden eingeladen, an der nächsten "Scope"-Messe in New York und der "Art Cologne" teilzunehmen, deren Chef Gérard Goodrow dieser Tage durch Wien schwirrte. Wie auch sein Kollege Samuel Keller von der Art Basel, der weltweit wichtigsten Messe für aktuelle Kunst.

Ihnen gleich Feindbeobachtung zu unterstellen, wäre angesichts der so jungen Wiener Veranstaltung zwar noch übertrieben. Aber immerhin. Das auf (Süd-)Osteuropa fokussierte Konzept der "Viennafair" machte international agierende Profis neugierig. Und scheint heuer voll aufgegangen zu sein. Fielen die Präsentationen der von "Erste Bank" und Messeveranstalter "Reed" finanziell unterstützten Galerien aus dem Osten bei der Premiere 2005 noch eher durch Improvisationskunst auf, gewann heuer mit "Lokal 30" gleich eine Warschauer Galerie den neuen Preis für den besten Stand.

Auch der Frankfurter Michael Neff, der sich in Wien als Galerist mit Gabriele Senn einen Stand teilte und für seine Heimatstadt gerade die Kunstmesse neu erfand, sieht in der Ausrichtung auf den Osten die Chance für Wien. Keine andere Messe biete diesen Schwerpunkt im Moment, weitere Perspektiven sehe er in der Ausweitung auf Asien. Und gerade eben, erzählt er noch, sei das Kuratoren-Paar des Londoner Mega-Sammlers Charles Saatchi vorbeigegangen.

Es ging also bergauf. Nicht nur ästhetisch, auch verkaufstechnisch. Die erstmals teilnehmenden Griechen "The Breeder" etwa konnten praktisch ihren ganzen Stand, alle kreisrunden Porträts von Athanasios Argianas verkaufen. Die dreiteilige Malerei-Installation der jungen Weißrussin Marina Naprushkina muss die Frankfurter "Galerie U 7" wieder mitnehmen. Für einen deutschen Sammler allerdings. Hans Knoll verkaufte an einen Russen und, wie Ursula Krinzinger, an den Pariser Antoine de Galbert ("Maison Rouge"). Und am Nachbarstand, bei Layr:Wüstenhagen, hat überraschend das New Yorker Sammer-Paar Hort eingekauft: die sperrige "Blickmaschine" von Fabian Seiz. Die internationale Einladungspolitik der Messe scheint heuer endlich funktioniert zu haben. Und auch die österreichischen Sammler, bemerkte Grita Insam, waren gekommen. Auch wenn sie, wie Karlheinz Essl, diesmal nichts fanden.

Nächstes Jahr wohl eher nicht mehr dabei sein werden "Marlborough Fine Arts", die es in Wien recht erfolglos mit einem Klassiker-Programm von Klimt bis Picasso versucht haben.

Zufrieden dagegen war Georg Kargl. Als einer der wenigen - neben Meyer Kainer mit der jungen Martina Steckholzer etwa - hatte er sich für eine Einzelpräsentation (Franz Graf) entschieden. Nur Engholm Engelhorn waren in ihrer Präsentation extremer: Sie zeigten die 1998 in der Secession aufgelegte, jetzt um riesige Rollen gewickelte Teppich-Installation Markus Geigers. Preis auf Anfrage, aber man sei bereits in Verhandlung.

Auch wenn die Verkäufe noch lange nicht als rasant bezeichnet werden konnten - kommunikativer war diese "Viennafair" allemal: die Aufteilung der Kojen war klarer, die Gänge erheblich enger. Nächstes Jahr ist vielleicht dann die ideale Lösung zwischen chaotischem Labyrinth wie 2005 und diktatorischem Eingangssystem gefunden. Mit relativ wenig Besuchern wirkte die Messe allerdings noch immer mehr wie eine Fach- als eine Publikumsmesse. Sonntagnachmittag war bereits abzusehen, dass - "trotz schönem Wetter", so Reed-Chef Matthias Limbeck - ähnlich viele, oder besser wenige Besucher kamen wie 2005, also etwa 12.500.

Diese Stimmung aufzumöbeln wird wohl die wichtigste Aufgabe des neuen "Viennafair"-Direktors Edek Bartz werden. Doch mehr muss nicht immer besser bedeuten. So wäre es keinesfalls wünschenswert, die "Viennafair" platzmäßig weiter wachsen zu lassen (mit 106 Galerien waren es heuer sowieso schon 13 mehr als 2005). Im Gegenteil. Die Auswahlkriterien sollten schärfer, die Qualität verbessert werden. Denn das Angebot der letzten Reihen fiel, wie auch Art-Basel-Chef Keller monierte, im Vergleich zu den ersten stark ab.

Verbesserungswürdig ist in jedem Fall noch das Rahmenprogramm und das fade Essen. Und der gedruckte Messe-Plan sollte weniger auf Style als auf Praktikabilität setzen. Oder haben Sie schon einmal versucht, sich ihre Lieblings-Stände auf schwarzem Hochglanzpapier zu markieren? Kinderkrankheiten. Die zweite Ausgabe hat der "Viennafair" Charakter, sogar ein bisschen Glamour gegeben. Sie ist zwar noch nicht abgehoben. Aber sie rollt an. Und das mit ziemlich steilen Aufstiegschancen.

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