Salzburger Nachrichten am 9. Jänner 2007 - Bereich: Kultur
Zeitloser Barockbaumeister

Grazer Stadtmuseum: Splitterwerk inszeniert Johann B. Fischer von Erlach MARTIN BEHR

Martin Behr Graz (SN). Zwei "videografische Multiremixes" zeigen flimmernde Bildsequenzen, Ralf Freudenbergers "elektronische Rekompositionen" des Barockmeisters Johann Joseph Fux erfüllen den Raum: Was wie eine Installation auf der Ars Electronica erscheint, ist ein Beitrag zu der noch bis 15. April geöffneten Ausstellung "Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-2006)" im Grazer Stadtmuseum. Das unrichtige Todesjahr steht für eine Absicht: die Zeitlosigkeit der Architektur zu betonen, das Werk des österreichischen Baumeisters gleichsam in die Gegenwart zu überführen.

Die vom Architekten- und Künstlerkollektiv Splitterwerk gestaltete Schau scheidet die Geister, ruft ebenso Ablehnung wie Begeisterung hervor. Vorweg: Ohne Vorkenntnisse über den in Graz geborenen, 1723 in Wien gestorbenen Baumeister, Zeichner und Bildhauer Fischer von Erlach haben es die Besucher nicht leicht. Um das sinnliche Augen- und Ohrenerlebnis genießen zu können, bedarf es Informationen. In Kombination mit einem Folder und dem Buch "Johann Bernhard Fischer von Erlach - Regie der Relation" von Andreas Kreul funktioniert das Ausstellungsvorhaben aber durchaus. Die Publikationen liefern die Hardware, die Ausstellung lädt ein zu einem Nachdenken über Tradition und Moderne, über das Wesen von Innovation und ermöglicht "Was wäre, wenn"-Gedankenspiele.

Splitterwerk bringen Fischer von Erlach in einen Dialog mit Künstlern wie Adolf Loos, Le Corbusier oder Gordon Matta-Clark, kombinieren Entwürfe der Karlskirche mit Zitaten von Gilles Deleuze oder Hans Sedlmayr. Das Stiegenhaus im Winterpalais des Prinzen Eugen liefert als Bewegungsraum-Kulisse Stoff für Videos, und im "Kaiserforum" bekennt sich Splitterwerk - etwas selbstverliebt - zu ornamentaler Opulenz: Es lebe das Blattwerk.

Die schummrige Fischer-von-Erlach-Lounge passt zu einem, der schon vor 300 Jahren der Kunst des Zitats frönte: keine steife Bildungsbürgerschau mit Textfriedhöfen.