Kunst auf den Inseln der nicht-Lokalität

Peter Weibel, Kurator der Ausstellung net_condition: "Netzkunst auszustellen ist ganz einfach uninteressant. Das wäre etwa so, wie wenn sie vor ein Auto ein Pferd spannen würden."


Peter Weibel, Leiter des Zentrums für Kunst- und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe, ist Kurator der internationalen Netzkunstausstellung net_condition. Im Interview erklärt er, was für ihn Netzkunst ist, welche politischen Utopien mit ihr verbunden sind und dass es uninteressant ist, sie auszustellen.

Wie haben Sie für die Ausstellung den Begriff Netzkunst definiert?

Ich zeige Installationen, die auf dem Netz basiert sind. Wo Ereignisse im Netz die Installation steuern, bzw. wo der Betrachter vor Ort innerhalb der Installation Ereignisse im Netz steuert. Es gibt eine Verknüpfung von lokalen und nicht lokalen Ereignissen.

Das ist es, was das Netz so interessant macht, die Verbindung der diversen Inseln der nicht-Lokalität. Die Möglichkeiten, die man da hat, von netzbasierten Telespielen bis zu netzbasierten Installationen, das zeige ich hauptsächlich, mit den sozialen und politischen Implikationen.

Welche politischen Utopien sind für Sie mit der Netzkunst verbunden?

Vor allem ein weiteres Träumen der postmodernen Geografie, einer dezentralen Geografie, die davon träumt, dass der Rand der Gesellschaft, die Peripherie, genauso Zugang zu Reichtümern hat wie die Metropole.

Kann man Ihrer Meinung nach eine Kommerzialisierung der Netzkunst beobachten, wenn in letzer Zeit Unternehmen wie MTV, Altoids und Absolut Wodka Netzkunstwerke kaufen?

Die Netzkunst ist ein sehr subtiler Ikonoklasmus, eine Art Bildersturm. Sie attackiert die Idee des Bildes als materielle Substanz. Wenn ich anfange, Netzkunst zu verkaufen, zwinge ich sie auf einen wesensfremden Status zurück.

Ist es überhaupt möglich, Netzkunst sinnvoll offline auszustellen?

Es ist ganz einfach uninteressant. Das wäre etwa so, wie wenn sie vor ein Auto ein Pferd spannen würden. Ich schalte den Motor ein und das Pferd soll das Auto ziehen. Man kann das natürlich alles tun, nur ist es Unsinn.

Warum machen sie dann eine Netzkunst-Ausstellung?

Ich habe die Ausstellung ja auch nicht net.art sondern net_condition genannt, weil es mir um die politische, soziale und ökonomische Situation dieser Art von Kunst geht. Und es handelt sich bei den Ausstellungsstücken um netzbasierte, performative Installationen, die sich nicht zweidimensional am Bildschirm abspielen.

Im e-zine telepolis war nach dem Abgang von Pionieren wie Alexej Shulgin , Vuk Cosic und Rachel Baker von einem möglichen Ende der Netzkunst zu lesen. Was halten sie davon?

Das ist eine sehr kleine Gruppe, die sich schon früh mit diesem Thema auseinander gesetzt und sich dementsprechend präsentiert hat. Eigentlich hat der Abgang dieser Gruppe für die Entwicklung der Netzkunst überhaupt keine Bedeutung.

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