Feigenblatt für Freunderlwirtschaft?

Seit dem Bau der Wiener Ringstraße haben Wettbewerbe Diskussionen über Architektur ausgelöst. Was heute diskutiert wird, sind neben der Architektur aber die Vergabekriterien.
Von Sabine Oppolzer.


Immer lauter wird der Unmut über Architekturwettbewerbe. Junge Architekten investieren hunderte von Arbeitsstunden, um ihre Projekte einzureichen. Mit dem Resultat, dass dann einer der sogenannten Stararchitekten das Rennen macht, weil - wie kolportiert wird - auch in den Jurys wieder Stararchitekten sitzen.

Junge Architekten sehen Architekturwettbewerbe, deren Juryzusammensetzung der Architektenkammer und dem Auslober obliegt, zunehmend als Feigenblatt für Freunderlwirtschaft.

"Zufrieden werden nie alle"

Um aller Willkür Einhalt zu gebieten, will Planungsstadtrat Rudolf Schicker neue Strukturen schaffen: "Ich verstehe, dass wir den Architekten Klarheit geben müssen, wie wir gedenken, vorzugehen. Es kann nicht Willkür sein und es muss so sein, dass die Architektenkammer es akzeptieren kann. Wir machen jetzt im Frühjahr eine Enquete, wo wir das Thema Ausschreibungswesen noch einmal durchdiskutieren. Ich hoffe, dass wir dann einen abschließenden Weg gefunden haben werden." Nachsatz: "Zufrieden werden nie alle sein."

Diskutiert werden Architekturwettbewerbe, seit es sie gibt: Seit der Wiener Postsparkasse und Otto Wagner, seit dem Bau der Wiener Ringstrasse haben Wettbewerbe Diskussionen über Architektur ausgelöst. Was heute diskutiert wird, sind neben der Architektur aber die Vergabekritierien.

Beispiel Volksoper

Wilhelm Holzbauer / ©Bild: APA
Wilhelm Holzbauer / ©Bild: APA

Jüngstes Beispiel eines solchen Wettbewerbes: die Wiener Volksoper. Die Fassadengestaltung gewann Paradearchitekt Wilhelm Holzbauer. Das junge Architektenteam, das ebenfalls den ersten Preis gewann (aber für einen anderen Teil der Ausschreibung), kam aus Budgetgründen nicht zum Zug. Der Auslober, Chef der Bundestheaterholding Georg Springer, bekannte, dass die öffentliche Hand sehr sorglos mit den jungen Architekten umgehe.

"Ich finde das als eine unzumutbare und ausbeuterische Situation, dass man hier vor allem unbekanntere Architekturbüros in die Situation bringt, auf Verdacht zu arbeiten", so Springer. "Diese Situation ist für ihren Berufsstand unzumutbar und für den Auftraggeber bequem."

Ein Modell der Wiener Volksoper, deren Außenfassade nach einem Entwurf von Wilhelm Holzbauer renoviert werden wird. / ©Bild: APA
Ein Modell der Wiener Volksoper, deren Außenfassade nach einem Entwurf von Wilhelm Holzbauer renoviert werden wird. / ©Bild: APA

Transparente Abwicklung gefordert

Die Architektenkammer verlangt seit jeher vor allem eine gute Vorbereitung und transparente Abwicklung der Wettbewerbe, wie Michael Buchleitner, Leiter der Architektenkammer erklärt: "Es muss eine präzise Aufgabenteilung vorliegen, sonst ist ein Wettbewerb ein Schuss ins Blaue und eine Fehlinvestition durch die Teilnehmer."

Wichtig sei, dass die Absichtserklärung klar formuliert sind "Hinter dem Wettbewerbsverfahren muss auch eine realistische Absicht stehen", so Buchleitner. "Es darf also nicht nur ein Projekt sein, dass zwar als Vorzeigeprojekt ein Ergebnis liefert, dass dann aber nicht realisiert wird. Das ist wirtschaftlich unvertretbar für die Teilnehmer."

Pendelbewegung

Eine der Erklärungen für die zugespitzte Situation ist laut Architekt Christoph Lechner, Kompagnon von Gustav Peichl, die weltweite wirtschaftliche Situation: "Vor zehn Jahren, als Österreich noch nicht bei der EU war, waren deutlich mehr Wettbewerbe. Jetzt, in der Wirtschaftskrise, sind es immer weniger. Wenn es wieder aufwärts geht, werden es wieder mehr werden. Das ist eine Pendelbewegung. Die Architekten leiden noch vor der Bauindustrie."

Zu Beginn der 90er Jahre gab es in Wien einen Zuwanderungsboom. In drei Jahren vergrößerte sich die Wiener Bevölkerung um 100.000 Einwohner. Das machte sich im Wohnungsbau, im Schul- und Kindergartenprogramm bemerkbar.

Bau-Stagnation

Mittlerweile wurde das Wohnbauprogramm auf 5000 pro Jahr zurückgenommen. Der Schulbau stagniert und die Kindergartenprogramme sind gesättigt.

Das Ende der Fahnenstange sei erreicht, erklärt Planungsstadtrat Schicker: "Es ist die Investitionstätigkeit beim Bund zurückgegangen. Er investiert heuer weniger für ganz Österreich, als Wien allein. Auch das spielt mit, und der Output der Universitäten an jungen ArchitektInnen ist sehr hoch."

"Kreativität ist enorm"

Nun müssen Architekten auch mit Renovierungen Vorlieb nehmen, die bisher als Baumeisterarbeiten disqualifiziert worden sind. Denn zum Aderlass sollte der Architekturexport, auf den man in Österreich so stolz ist, allerdings nicht führen.

Rudolf Schicker, Wiener Planungsstadtrat / ©Bild: APA
Rudolf Schicker, Wiener Planungsstadtrat / ©Bild: APA

"Unsere Architekten haben eine derartige Kreativität, dass wir international nicht nur mit den Top-Namen, sondern auch mit den jungen Teams sehr gut landen und die Ausstellungshallen füllen und auch gebaut wird", erklärt Rudolf Schicker. "Die Kreativität der Absolventen ist enorm, nur das Land ist zu klein."

Frauenquote für Architektur?

Umso sorgfältiger sollen daher nun die Architekten ausgewählt werden, die bei den wenigen Bauprojekten zum Zug kommen. Rudolf Schicker denkt an eine Frauenquote und eine Quote junger Architekten in geladenen Wettbewerben: "Wir führen derzeit einen städtebaulichen Wettbewerb für die freien Teile der Donau-City durch, um die Verbindung sowohl zum Donauufer und zur U-Bahn herzustellen. Bei diesem Wettbewerb haben wir darauf geachtet, dass wir sowohl Frauen, als auch junge und internationale Architekten hereinholen."

Auch in der Jury will er Frauen Platz machen. Und zwar im Verhältnis 3:1. "Und damit habe ich schon 25% aus dem Platzhirschentum herausgeholt. Weil bei den Frauen findet man zur Zeit noch keine Platzhirschen in Wien."

Erfreuliche Gesprächsbasis

Die Gesprächsbasis mit Planungsstadtrat Schicker hält die Wiener Architektenkammer für besonders erfreulich. In drei Schulbauwettbewerben werden derzeit unterschiedliche Wettbewerbsverfahren getestet, wie Michael Buchleitner erklärt: Einmal ein Bewerbungsverfahren, wo Teilnehmer ausgewählt werden, einmal ein offener Wettbewerb und einmal ein zweistufiges Verfahren." Mit der Stadt Wien sei vereinbart, im Anschluss an dieses Verfahren eine Evaluierung durchzuführen. "Das heisst, wir schauen uns an, welches Verfahren hat für den Auslober, also die Stadt Wien und für uns, die Architekten, welches Ergebnis gebracht. Wieviel Aufwand stand dahinter, was hat sich bewährt und was nicht..."

Ausschreibung verpflichtend

Seit dem EU-Beitritt Österreichs ist die Ausschreibung von Wettbewerben verpflichtend. Nicht festgelegt ist jedoch, welches Modell des Wettbewerbes angewandt wird.

"Daher", meint Michael Buchleitner, "ist es wichtig, für die jeweilige Aufgabenstellung das entsprechende Wettbewerbsmodell zu entwickeln. Für manche Aufgabenstellungen gibt's noch gar kein Wettbewerbsmodell."

An einer derartigen Differenzierung der Wettbewerbsmodelle wird also im Frühling im Rahmen einer Enquete gearbeitet. Denn einerlei, ob der Planungstadtrat die Wettbewerbsordnung der Wiener Architektenkammer in Anwendung bringt oder nicht: Wesentlich erscheint allen Beteiligten der gute Kontakt zwischen Architektenschaft und Auftraggeber.

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