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„Mind and Matter“: Der Geist der Maschine

15.07.2010 | 18:14 |  (Die Presse)

Das Festival für digitale Kunst und Kultur vergibt einen Preis und kehrt zum Ursprung zurück. Man will heuer über sich selbst nachdenken. Über die digitale Kultur. Und über uns, die Menschen vorm PC.

Vier Jahre sind genug, sagt Judith Fegerl. Vier Jahre lang hat die Ausstellungsleiterin des Festivals für digitale Kunst und Kultur, „paraflows“, alle möglichen Räume durchdekliniert – Nichträume, Räume hinter den Räumen und zuletzt den öffentlichen Raum auf dem Karlsplatz. Jetzt aber reicht's. In seinem fünften Jahr wagt sich das junge, wilde Festival mit dem Künstlerhaus an einen – huch – etablierten Museumsort, an dem man, quasi von äußerlichen Einflüssen ungestört, thematisch an den Ursprung zurückkehrt. Denn: Man will heuer über sich selbst nachdenken. Über die digitale Kultur. Und über uns, die Menschen vorm PC.

„Mind and Matter“, das Festivalmotto, erforscht Zweierlei. Einerseits geht man der Frage nach, ob man Hard- und Software einfach so trennen kann. Andererseits wird die Beziehung von User und Computer erkundet: Hier Geist, da Maschine, gilt das noch? Doch anders als bei Autoren wie Nicholas Carr („Macht Google uns dumm?“) oder „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmacher („Payback“) wird damit weniger eine Warnung impliziert als die Utopie des Möglichen. Wie weit kann, darf, soll die Verschränkung gehen?

In „algorithmic search for love“ inszeniert Julian Palacz die Technik als Spiegel unser Identität. Er entwickelte eine Suchmaschine, die in (digitalisierten) privaten Film-und Videoarchiven nach gesprochener Sprache suchen kann. Gibt man zum Beispiel „i love her“ ein, werden nacheinander Sequenzen gezeigt, die diese Worte enthalten. Dass Maschinen ein Eigenleben entwickeln, zeigt auch die Künstlerin Lia: Arcs 21 ist ein generatives Programm, das selbst neue Muster entwickelt und im Rahmen der Ausstellung über ein Interface auch die Besucher einbinden wird. Bis zum Kern, zum Hirn dringt Siegfried A. Fruhauf vor: In „Thinking about Movie-Making“ zeigt er Aufnahmen von sich beim Nachdenken und stellt ihnen die computertomografische Aufnahmen seines Kopfes gegenüber.

 

Das Körperlose, es ist gebrechlich

Doch nicht nur der Mensch zeigt sein Inneres, auch die zarten Seiten der Technik sind Thema des Festivals, vor allem des begleitenden Symposiums: Denn das Virtuelle, es ist gebrechlich. Und digitale Kunst in ihrer Existenz davon abhängig, dass man die dazugehörigen Geräte erhält. In Zeiten, in denen eine Computergeneration ständig von der nächsten überholt wird, gar keine so leichte Aufgabe. „Eigentlich ist erst in 2000er-Jahren das Bewusstsein aufgekommen, dass es da Probleme geben könnte“, sagt Günther Friesinger, Co-Festivalleiter.

Neu ist heuer, dass im Rahmen von paraflows ein Preis ausgelobt wird. Der „Digital Society Award“ wird an Pionierprojekte und Arbeiten, die neue Formen gesellschaftlicher Partizipation ermöglichen, vergeben. Und: Auch an der „Langen Nacht der Museen“ will man sich mit einem Beitrag der kanadischen Künstlerin Jane Tingley beteiligen. uw

paraflows: 9. 9. 2010 bis 10. Oktober, Symposium. 10. & 12. 9.; www.paraflows.at


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