Das Freudjahr trifft sich passend mit dem Jahr des
Sammelns im Mumok. Daher geht einer Schau eigener Neuankäufe die Sammlung
Julius Hummel voran, von der Insider immer wussten, dass sie etwas
Besonderes ist.
Die enorme Breite der Sammlung von Marcel Duchamp über Joseph Beuys bis
Bruce Nauman konnte aber niemand so genau abschätzen, vor allem wenn es um
den Bereich des Wiener Aktionismus ging. Wer jedoch einmal in Hummels
Galerie in der Bäckerstraße hinein gerochen hat, begreift schnell: Hummel
war meist vor anderen vor Ort und er kaufte oder tauschte nur höchste
Qualität.
Theoretisch interessiert, hat er sich auch mit dem wichtigen
Dokumentationsmaterial "eingedeckt" und früh Filme und Fotografie hoch
eingeschätzt. Kurator Edelbert Köb kann als Direktor des Mumok eigentlich
nur hoffen, dass sein Haus irgendwann mit diesen Werken vereint zum
wirklich größten Kompetenzzentrum für Wiener Aktionismus wird.
Neben Günter Brus, Otto Muehl, Hermann Nitsch und dem früh verstorbenen
Rudolf Schwarzkogler hat Hummel auch den teils internationalen Umkreis und
die Nachfolge der umstrittenen Tabubrecher der Sechzigerjahre beleuchtet:
Da taucht nicht nur Valie Export auf, es kommen auch Friedl Kubelka und
Friederike Pezold, Adolf Frohner, Alfons Schilling, Arnulf Rainer und die
Nachfolger Franz West, Gelatin (jetzt Gelitin) sowie Elke Krystufek vor.
Blickt man auf die Jahreszahlen und die klare Zielrichtung ist alles
da, von den Materialbildern über Gerümpelskupturen bis zu Fotozyklen und
Filmen, Manifesten und Publikationen.
Erstaunlich ist der historischen Kontext, in dem Hummel die Vertreter
der Avantgarde von Anfang an sah. In seiner Sicht hat der körperbezogene
Ansatz in Österreich von Egon Schiele bis Erwin Wurm eine konsequente
Fortsetzung, ebenso aber Bezüge nach Amerika und zur Fluxusbewegung. Dabei
schafft er es, Außenseiter wie Padhi Freiberger oder die Schlachthoffotos
von Madame D'Ora zu integrieren. Die Kunstgeschichte könnte da einige
Neuansätze finden.
Nitsch wies bei der Presseeröffnung einmal mehr auf die Notgemeinschaft
hin, die er mit seinen drei Kollegen damals bildete, um eine konservative
Gesellschaft aufzurütteln. Der Vergleich von der Aufarbeitung des
Faschismus mit dem Zerreißen eines Vorhangs ist dabei eine religiöse
Metapher.
Als Märtyrer der Boulevardpresse stellen sich die vor 40 Jahren nach
der Uni-Aktion "Kunst und Revolution" gerichtlich Verfolgten gerne dar.
Muehl transformiert Freuds Beschäftigung mit dem Tabu in seine persönliche
Ansicht, es handle sich dabei um den gesellschaftlichen Maulkorb zur
Behinderung des Denkens. Er ist heute, nach gescheitertem
Gesellschaftsexperiment seiner Kommune, wieder Maler, Brus widmet sich vor
allem der Verbindung von Bild und Text, Nitsch ist als einziger im
Performativen geblieben.
Edelbert Köb (Kurator)
Mumok (1070 Wien, Museumsplatz 1)
Allumfassend!
Freitag, 05. Mai
2006