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12.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellungen: Kunst statt Insekten
VON ALMUTH SPIEGLER
Ausstellungen am Westbahnhof und in Zacherlfabrik.

Verzaubert - das ist es, was einem als Erstes einfällt, tritt man nach dem Gang durch die Unterdöblinger Nußwaldgasse, nach dem Passieren des Josef-Hoffmann-Juwels Villa Knips, durch das Tor einer orientalisch anmutenden Architektur: die Zacherl-Fabrik. 1888 wurde sie von Architekt Karl Mayreder mitten in einen Park gebaut, um "Zacherlin" zu produzieren, zum Schutz gegen Ungeziefer. Mitte des 19. Jahrhunderts hat Johann Zacherl begonnen, Pyrethrum-Pulver, zerriebene Chrysanthemen-Blüten, aus Tiflis zu exportieren. Die "Mottenfrass-Verhütungs-Unternehmung" florierte in der Monarchie.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fabrik geschlossen. Bis heute blieb der Großteil des Gebäudekomplexes ungenützt. Bis der "Monsignore Otto Mauer"-Fonds einen Ort suchte, um sein 25-jähriges Bestehen zu feiern. Auf Initiative von Jesuitenpater Gustav Schörghofer, Vorstand des Fonds zur Verwaltung des Nachlasses des 1973 verstorbenen Kunstförderers, stellte der heutige Besitzer der ehemaligen Fabrik, Peter Zacherl, eine 300 Quadratmeter große Halle am so verwunschen erscheinenden Gelände zur Verfügung. Und "Ins Leere", so der Titel der Schau, zog die Kunst ein.

Mit Michael Kienzer, Brigitte Kowanz, Tobias Pils und Esther Stocker beschäftigten sich vier Träger und Trägerinnen des "Otto Mauer"-Kunstpreises mit dem vorgefundenen Raum. Mit schräg gestellten schwarzen Durchgängen bringt Stocker den Besucher etwa gleich beim Eintreten aus dem gewohnten Gleichgewicht, betont den Übergang, die Schwelle an sich, von Alltag zur Kunst, von Vergangenheit zur Gegenwart.

Während Brigitte Kowanz mit einer Kugel aus Licht und Text den Raum unwirklich erleuchtet, irritiert Kienzer diesen mit schiefen Säulen, die den Raum nicht tragen, sondern untätig in ihm hängen - und so die realen Ausmaße und Strukturen betonen. Tobias Pils durchmisst die Halle mit einem monumentalen weißen Bild, begrenzt von unbestimmten schwarzen Formen.

Der Raum scheint also erschlossen genug - bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass er weiterhin für Kunst zur Verfügung steht.

Eine weitere Kunst-Expansion hat den Westbahnhof erreicht: Monica Bonvicini ließ die Studenten ihrer Klasse für Bildhauerei und performative Kunst an der Akademie das "Magazin 1" erobern.

Folgt man den Pfeilen am Boden, erreicht man "Top to bottom end to end", wie die Schau kryptisch heißt, recht unkompliziert. Zu große Erwartungen sollten aber nicht gehegt werden, die meisten Arbeiten sind recht unausgereift und insiderisch. Eine Falle, vor der Studenten öfters bewahrt werden sollten. Trotzdem finden sich auch hier einige Momente zum Erinnern: Die Bahnhofsuhr etwa, die über einigen schwer durchschaubaren Bastelarbeiten schwebt. Maria Anwander lässt sie wie eine Kuckucksuhr schlagen und sorgt damit für eine dankenswert surreale Atmosphäre, während darunter eine von Nora Rekade aufgezeichnete Mädchenstimme aus einem kleinen dunklen Iglu fragend "Hallo?" ruft.

Wer vermisst wird? Das weiß wohl nicht einmal Christina Gillinger, die nebenan am Tisch wartet, mit uns über Tanz, Volk, Gott und den Rest zu plaudern. Ein "Speeddate", das sich in jedem Fall auszahlt.

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