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Galerie T19 Wien 19.1.2001 -
17.2.2001
Die künstlerische Praxis der in New York lebenden
deutschen Künstlerin Andrea Geyer ähnelt zunächst einem
soziologischen Verfahren, das die spezifischen Erfahrungen und
Lebensumstände von Individuen recherchiert, die einem ausgewählten
kulturellen, historischen und sozialen Setting angehören. Für ihre
Installation in der Wiener Innenstadtgalerie T 19 bildet ein 1920
gegründetes Apartmenthaus für arbeitende Frauen in der Großstadt
(New York) den lokal und kulturell situierten institutionellen
Rahmen, der als »metaphorischer Ort« für ihre Überlegungen in Bezug
auf die Produktion vergeschlechtlichter Räume, die Sexualisierung
von Interieurs und die Geschichte der Frauenbewegung im allgemeinen
fungiert. Die dreiteilige Arbeit besteht aus insgesamt fünfzehn
auf Aluminiumplatten aufgezogenen großformatigen Farbfotografien,
von denen zwölf in unterschiedlichen Institutionen für Frauen in New
York entstanden sind. Drei in die Serie integrierte Fotografien
reproduzieren einen zumindest formal dialogisch angelegten, sehr
dichten Text. Ein raumfüllender Teppich, der einen architektonischen
Grundriss skizziert, unterstützt das Gefühl, dass man sich mit
Betreten des Galerieraums selbst im Inneren dieser heute sehr
hermetisch und anachronistisch wirkenden Welt wiederfindet. Die
visuelle Ebene dokumentiert den durch seine geschlechtsspezifische
Nutzung konnotierten Ort und verbreitet die unpersönliche Atmosphäre
eines autoritär geführten Frauen(schutz)raumes, in dem sich die
gesellschaftliche Disziplinierung und Domestizierung des
Frauenkörpers architektonisch verdichtet: Die Bilder geben
einerseits Einblick in die standardisiert eingerichteten
Einzelzimmer mit Spiegeltischen, Einzelbetten und (leeren)
Bücherregalen, zeigen aber auch die Gemeinschaftsräume wie die
Bibliothek mit kanonisierter Frauenliteratur und zwei unbenutzt
wirkende wohnzimmerartige Sitzgelegenheiten. Ein Bild fällt aus dem
Rahmen und ist sehr bewusst an der Fensterfront der Galerie
platziert: Es ist das sehr repräsentative Porträt einer potenziellen
Direktorin der Institution, die eine Art Verbindung zwischen innen
und außen herstellt. Die Einzelzimmer, die bezeichnenderweise den
Blick nach außen beziehungsweise innen verweigern (eine zugezogene
Jalousie fungiert in einem Bild als Blickregulator), verweisen mit
ihren weißen Interieurs auf altbekannte, aber sich hartnäckig
haltende, geschlechtsspezifische Zuschreibungen wie Reinlichkeit,
Anständigkeit, Sittsamkeit etc. Die Tätigkeiten der Bewohnerinnen
sind durch die räumlichen Vorgaben bestimmt: Lesen, Handarbeiten und
öffentlichkeitstaugliche Gespräche sind die sich ziemenden
Freizeitbeschäftigungen. Drei in den Fotografien abgebildete junge
Bewohnerinnen wirken in diesem Szenario wie bloße Statistinnen.
Während die Bildebene hauptsächlich suggestiv wirkt, eröffnet
die Textebene einen diskursiven Zugang: Das Wort haben dort
einerseits noch heute in diesen Apartments lebende Frauen, die
Künstlerin selber – die ihre eigenen Erfahrungen während eines
zweimonatigen Aufenthalts einfließen lässt –, das männliche
Hauspersonal sowie Verbots- und Gebotsschilder, die das Verhalten
der Bewohnerinnen reglementieren. Gespickt mit Zitaten aus jüngerer
– mittlerweile ebenfalls kanonisierter – feministischer und
kulturkritischer Theorie (Irigaray, hooks, Grosz, Butler, Wittig
etc.) komplettieren die einem Drehbuch ähnlichen Textbilder die
visuelle Ebene. Angeboten werden aber keine sinnstiftende Erzählung
oder sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, die distanzierende oder
scheinbar objektivierbare Beurteilungen zur Verfügung stellen,
sondern Informationsfragmente aus unterschiedlichen Wissensquellen,
die zur Beschäftigung mit der bewegten Frauengeschichte dieses
Jahrhunderts anregen. »Information Upon Request« konstruiert einen
fiktiven Raum, der zeigt, wie sich hierarchische Zuweisungen anhand
der Kategorie Geschlecht in der Architektur materialisieren, und
lädt darüber hinaus zur Auseinandersetzung mit individuellen
Geschichten von Bewohnerinnen und unterschiedlichen feministischen
Positionen ein. Die ambivalenten Gefühle, die diese einst dem
sozialen Wandel angepassten Fraueninstitutionen aus heutiger Sicht
auslösen, bleiben bestehen. So lässt mich die Ausstellung
beispielsweise darüber nachdenken, wieso sie mir gerade in
Anbetracht aktueller Bilder aus der trendigen Lifestyle-Metropole
auch von Nonkonformismus und Widerständigkeit erzählt …
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