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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
08. Februar 2005
21:21 MEZ
Von
Thomas Trenkler
 
Cover: "manuskripte"
Nebuloses Kreisgebilde: Jörg-Schlick-Cover für die "manuskripte".

Foto: steirischer herbst
Ein Polyartist: Fotocollage als Bühnenbild für das Ballett "Ein Bild und sein Schatten" (2001).

Grafik: Jörg Schlick

Foto: Artelier
Foto mit Martin Kippenberger: von Jörg Schlick (re.) zu einem Leuchtkasten-Multiple mit dem Motto der Lord-Jim-Loge verarbeitet. Titel: "Martin" (1997).

Das Logo und der Wille zum Werk
Jörg Schlick, seit zwei Jahrzehnten eine der schillerndsten Figuren der Grazer Kunstszene, erhält den Würdigungs­preis der Steiermark

Der Polyartist arbeitet manisch an einem überbordenden Gesamtwerk. Porträt eines Unbeugsamen wie Unbequemen.


Graz – Jörg Schlick, 1951 geboren, ist ziemlich vieles: Konzeptkünstler, Autor, Maler, Kurator, Musiker. Und er war eine der zentralen Figuren des Forum Stadtpark, als dieses noch Relevanz hatte.

1984 beispielsweise präsentierte er mit Wolfgang Bauer im Annenhofkino von Graz den Film Die Kunst von A bis Z. Die Einladungskarte erbat Abendkleidung oder Tracht und versprach ein üppiges Büfett. Aberhunderte kamen, der Vorspann begann recht verheißungsvoll, doch der Film selbst dauerte keine 30 Sekunden: Schlick und Bauer zeigten bloß die "Kunstwerke", die sie unter den Pseudonymen Herbert Aigner und Theo Zwirn, also A und Z, für den Förderungspreis des Landes Steiermark eingereicht hatten.

Eine besoffene Geschichte? Vielleicht. Wie so manch andere auch. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde die Lord-Jim- Loge gegründet: von Bauer, Schlick, dem Autor Max Gad und dem Regisseur Bernd Fischerauer in der Haring, einer längst legendären Likörstube. Das Credo des "Geheimbundes" als absurdes P2-Gegenmodell war schnell gefunden: "Keiner hilft keinem."

Sonne Busen Hammer

Erst später hingegen entstand das Logo: Aky Bleich- Rossi, damals wichtigster, mittlerweile verstorbener Galerist in Graz, plante 1985 eine Ausstellung mit Werken von Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Bauer und Schlick. Die vier versumperten wenige Tage vor der Vernissage in der Haring, Oehlen und Kippenberger zeichneten auf einen Zettel eine Sonne mit Hammer, Bauer kritzelte die Brüste dazu, und Schlick gestaltete damit das Plakat.

Das Logo bekannt zu machen wie jenes von Coca-Cola wurde Schlicks Konzept: Er gab an die Logenbrüder Stempel aus, Bauer und Kippenberger signierten damit Manuskripte oder Werke. Als Referent für bildende Kunst im Forum Stadtpark brachte Schlick auch eine Zeitschrift mit dem Titel Sonne Busen Hammer heraus, die das "Zentralorgan der Lord-Jim-Loge" war.

Und als Künstler, den das Serielle interessiert, schuf er zahlreiche Multiples, verlegt vom Artelier, alle verziert mit dem Logo: Tapeten, Toilettepapier, Klodeckel, Löschdecken, Boxhandschuhe, Bücher. Trotz der vielen Assoziationen zu RAF, Firmenzeichen, Gütesiegel, Orden und dem vermeintlich sinnstiftenden Charakter blieb das Logo, wie Elisabeth Fiedler von der Neuen Galerie in Graz einmal schrieb, inhaltsleer. Aber als "ideologiefreies Zeichen" erhielt es dennoch Bedeutung – eben durch seine Verbreitung.

1990 sorgte Schlick, der immer auch subversiv arbeitet, für einen handfesten Skandal: Im Rahmen des steirischen herbstes wollte er zusammen mit zehn Mitgliedern "Das Konzil der Lord-Jim-Loge in Singapur" abhalten – und nach dem Gratisurlaub ein Buch mit dem Titel "Dank an den Steuerzahler" herausbringen. Intendant Horst Gerhard Haberl verbot den "Saufausflug", eine Debatte über die Freiheit der Kunst hob an.

Doch irgendwann wurde die Loge langweilig, die Ironisierung der Konsum- und Warenwelt nutzte sich ab. Zudem starb Martin Kippenberger im Jänner 1997. Aber gemeinsam haben sie das Ziel irgendwie doch erreicht: Im gleichen Jahr war auf der Documenta die Installation einer U-Bahn- Station von Kippenberger zu sehen. Und in dieser hing mächtig das Logo.

Schlick hatte damals bereits neue künstlerische Betätigungsfelder gefunden: Als "J.B.Slik" veröffentlichte er einige Platten, Ende 1993 begann er mit dem Dramatiker Werner Schwab, mit dem er im gleichen Viertel von Graz aufgewachsen war, einen Briefroman über zwei Jugendliche, die "sehr aggressiv und kriminell" sein sollten. Das Vorhaben fand bereits nach dem ersten Text, 2004 in den manuskripten veröffentlicht, ein jähes Ende: Schwab starb in der Neujahrsnacht 1994 an Alkoholmissbrauch.

1996 arbeitete Schlick unter der Intendanz von Christine Frisinghelli mit an der Konzeption des steirischen herbstes. Und 2001 gestattete ihm Peter Oswald, der neue Chef des Festivals, die Umsetzung eines nahezu größenwahnsinnigen Projektes: Schlick bespielte gleichzeitig knapp 20 Veranstaltungsorte. Rund 1000 Werke schuf er dafür: Fotocollagen, Installationen, Readymades, Performances. Das Schaffen wurde für Schlick zur Manie. "Es ist mir dabei völlig egal, ob das Werk jemandem gefällt oder nicht."

Auch seine Krebserkrankung konnte den Willen nicht brechen: Schlick zeichnet mit enormer Ruhe nebulose Kreisgebilde, er malt, er fotografiert, er unterrichtet. Als wäre es ein Hohn: Nun stellte sich der internationale Erfolg ein. Das MoMA kaufte drei Arbeiten, der Kölner Galerist Christian Nagel brachte ein Buch mit Gemeinschaftsarbeiten von Schlick und Günter Brus heraus, das sofort vergriffen war. Die Galerie König zeigt derzeit eine Installation mit 66 pseudo-isochromatischen Tafeln, die bereits am Tag der Vernissage verkauft war.

In besseren Kreisen

Die Galerie Bleich-Rossi stellt am 17. Februar in Graz neue Arbeiten von Brus und Schlick vor ("In besseren Kreisen"), im Juni vertritt Schlick Österreich auf der Grafik- Biennale von Ljubljana, die Art Basel präsentiert ihn in der Schiene "Art Unlimited".

Heute, Mittwoch, erhält er den Würdigungspreis des Landes Steiermark für bildende Kunst (um 19 Uhr im Weißen Saal der Grazer Burg). Peter Weibel, der Laudator, schrieb über Schlick einmal: "Er ist vielleicht der erste Künstler, der die gesellschaftskritischen Möglichkeiten des Multiples ernsthaft wahrgenommen hat und somit selbst zu einem gesellschaftskritischen Künstler von Rang geworden ist." (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 09.02.2005)


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