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Kunstberichte

Substanz des Lebendigen

Leopold Museum Wien und NÖ Landesmuseum St.Pölten: Paul Rotterdam
Illustration
- Paul Rotterdam: „Stillife“ (1970).  Foto: Rotterdam/Leopold-Museum

Paul Rotterdam: „Stillife“ (1970). Foto: Rotterdam/Leopold-Museum

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Zwar zählt der Künstler Paul Zwietnig-Rotterdam seit den Neunziger Jahren zur "New York School" und lebt auf einer Farm in North Blenheim, doch ist er 1939 in Wiener Neustadt geboren und hat immer wieder an österreichischen Sommerakademien unterrichtet.

Am Montag bekommt der berühmte Auslandsösterreicher das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen. Das Kreuz ist auch jenes Symbol, das ihn in seiner Malerei jahrzehntelang beschäftigte, ganz in der Nachfolge der abstrakten Expressionisten in Amerika, etwa von Mark Rothko.

1960 bis 1966 hatte Rotterdam – nach einem kurzem Intermezzo an den Wiener Kunstakademien – Philosophie studiert und sich in seiner Dissertation mit visuellen Theorien beschäftigt.

1968 wurde der Kunstphilosoph an die renommierte Harvard University berufen, wo er bis 1987 ebenso lehrte wie an der Cooper Union School of Art in New York. Die Verbindung nach Europa riss aber allein schon wegen seiner Vertretung durch die prominente Pariser Galerie Maeght nie ab, seine Buchprojekte verwirklichte er in der Züricher Edition Storrer.

Zurück zur Natur

Das NÖ Landesmuseum zeigt mit "Substance – Ausgewählte Werke" Rotterdams Assemblagen und enkaustischen Malereien (auf Wachsbasis), das Leopold Museum konzentriert sich auf "Die Kunst der Linie – Zeichnungen". Carl Aigner kuartierte an beiden Orten. In Wien stellten Rudolf Leopold und der Künstler Objekte ihrer afrikanischen Sammlungen als Ergänzung gegenüber.

Die Jahrzehnte dauernden abstrakten Diskurse bereichert Rotterdam heute mit einer leisen Rückkehr zur Naturschau. Dabei geht es keinesfalls um einen Realismus oder das Abbild des Gesehenen, sondern um eine poetische Spiegelung im Inneren und eine hohe Konzentration, die über die Meditation hinaus, fast Exerzitien gleich kommt.

Vom streng Geometrischen ist er in organische Strukturen zurückgekehrt, was sich in den Zeichnungen durch wie im Nebel auftauchende Baumkürzel oder Horizonte und Gräser äußert. Vom gestisch-aggressiven Strich der Frühzeit wandelte er sich in eine fast elektrisch aufgeladene Sensibilität der Linien.

Poetische Themen nach Rainer Maria Rilke bewegen ihn ebenso wie die männlichen Mythologien des gescheiterten Himmelseroberers Ikarus in den Bildern und Bildobjekten, die zuvor in der konzentrierten Auslotung von Horizontale und Vertikale nur die "Substance" des Lebens in die Kunst übertrugen. Zur amerikanischen Strenge kam aber immer die europäische Liebe zum Spiel mit den Materialien, weshalb Rotterdam eine Einzelposition dazwischen einnimmt.

Projekte und Performances kann man im Kata log (Prestel-Verlag) einsehen. Seinem Motto "I paint what I can’t paint" verschrieb sich zuvor kein geringerer als Leonardo da Vinci.

Paul Rotterdam

Leopold Museum Wien (bis 1. Okt.); NÖ Landesmuseum St.Pölten (bis 23. Sept.)

Intensive Spurensuche.

Donnerstag, 30. August 2007


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