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Ai Weiwei: "Ich werde niemals aufhören zu kämpfen"

10.08.2011 | 13:57 |  (DiePresse.com)

Zweieinhalb Monate saß der Künstler in China hinter Gittern. Er bestreitet, ein Geständnis wegen Steuerhinterziehung abgelegt zu haben. Und Ai bleibt politisch aktiv – obwohl es ihm verboten ist.

Der regimekritische chinesische Künstler Ai Weiwei hat bestritten, ein Geständnis über Steuerhinterziehung unterzeichnet zu haben und will weiterhin politisch aktiv sein. "Ich werde niemals aufhören, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen", sagte er in dem ersten Interview seit seiner Freilassung am 22. Juni. Die Umstände des Interviews geben Rätsel auf, da Ai Weiwei sich eigentlich nicht politisch äußern darf.

Der 54-Jährige sprach ausgerechnet mit der englischsprachigen "Global Times", die vom kommunistischen Parteiorgan "Volkszeitung" herausgegeben wird. Das Blatt hatte sich immer kritisch über Ai und die Empörung im Westen über seine Festnahme geäußert.

Auch in diesem Artikel zitierte das Blatt wieder Kritiker von Ai , gab dem Künstler aber durchaus Raum, seine Ansichten zu verbreiten. Besonders wurde hervorgehoben, dass sich Ai für Reformen und gegen einen rabiaten Machtwechsel aussprach. "Ein Umsturz des Regimes durch eine radikale Revolution ist nicht der Weg zur Lösung der Probleme Chinas", wurde er zitiert. "Das wichtigste ist ein wissenschaftliches und demokratisches politisches System."

Kein Geständnis

In dem Interview bestätigte Ai Weiwei, dass er in Haft ein Dokument unterschrieben habe, betonte aber, dass es kein Geständnis gewesen sei. Die "Global Times" zitierte Ai auch mit den Worten: "Ich werde niemals der Politik ausweichen. Niemand kann das. Wir leben in einer politisierten Gesellschaft." Wer nicht auf seinen Rechten bestehe, gebe sie auf, sagte der 54-Jährige.

Das Interview erschien nur auf der Webseite der Zeitung, die sich an ausländische Leser richtet, die offizielle Linie vertritt und nationalistische Töne anschlägt.

Gegenüber AFP sagte Ai, das Interview, das in der chinesischen Ausgabe der Zeitung nicht erschien, sei echt. Es sei aber von der Zeitung "arrangiert" gewesen und "sicherlich auf allen Ebenen" der Zensur geprüft worden. Ausländischen Korrespondenten konnte Ai bisher keine Interviews geben. Meist tauchte ohnehin sofort die Polizei auf, wenn ein Reporter ihn besuchen wollte.

Ohne offizielle Genehmigung darf der Künstler Peking nicht verlassen.

Kritik auf Twitter

Ai Weiwei war am 3. April auf dem Weg nach Hongkong auf dem Flughafen in Peking verhaftet und am 22. Juni unter internationalem Druck auf Kaution freigelassen worden. Ihm werden Steuervergehen vorgeworfen. Der Künstler soll Steuern und Strafen in Höhe von 1,3 Millionen Euro bezahlen. Doch sieht seine Familie den wahren Hintergrund für die Festnahme in seiner Kritik am kommunistischen Regime.

Der international anerkannte Künstler hatte sich am Wochenende erstmals seit seiner Festnahme wieder per Twitter geäußert. Zunächst schrieb er in dem Kurznachrichtendienst nur über seine Essgewohnheiten und sein Gewicht. Am Dienstag hatte er aber erstmals wieder regierungskritische Töne angeschlagen.

Einige seiner engsten Künstlerkollegen, die wie er "illegal inhaftiert" worden seien, hätten im Gefängnis "seelische und physische Folter" erlitten, schrieb Ai in einer der Botschaften. Er habe am Montag seinen Mitarbeiter Liu Zhenggang getroffen, der zur selben Zeit im Gefängnis saß. "Dieser massive Kerl ist in Tränen ausgebrochen. Er hat einen Herzinfarkt im Gefängnis erlitten und wäre fast gestorben."

Regierungskritischer Autor auf Haft entlassen

In einer weiteren Botschaft in dem Internet-Kurznachrichtendienst ergriff Ai im Namen von "Gleichheit und Gerechtigkeit" das Wort für zwei weitere Dissidenten, Wang Lihong und Ran Yunfei, und forderte seine Anhänger zur Unterstützung der beiden auf.

Ran Yunfei ist am Mittwoch nach sechsmonatiger Haft aus dem Gefängnis entlassen worden. Der 43-Jährige stehe in seiner Heimatstadt Chengdu im Südwesten des Landes aber weiter unter Hausarrest, sagte ein Anwalt des Schriftstellers der Nachrichtenagentur AFP. Die Behörden in Chengdu bestätigten die Angaben nicht, drei Freunde Rans sagten AFP jedoch, dass er wieder zu Hause sei, aber keine Interviews geben dürfe. Ran war im Februar wegen angeblich staatsgefährdenden Verhaltens festgenommen worden. Seine Entlassung erfolgte kurz vor einem geplanten Besuch von US-Vizepräsident Joe Biden in Chengdu.

 


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