Galerien
Der Panther namens Ray
(cai) Ich geb’s ja zu: Alles,
was ich im folgenden Satz behaupte, ist gelogen. Doch dafür ist alles,
was im vorherigen Satz steht, den ich also grad
hingeschrieben habe, zu 100 Prozent wahr. (Äh, ist das ein Paradoxon?)
Es ist zumindest genauso wahr wie der nächste Satz: Künstler
schwindeln nie. Wenn einer beteuert, in der Konservendose befände sich
echte "Merda d’artista" (Künstlerscheiße), gibt’s keinen Grund, den
Dosenöffner zu holen. Und deshalb ist diese rote Flüssigkeit in den 13
nicht zu öffnenden Glasgefäßen kein Früchtetee, sondern wirklich der
"Duft der verblühenden Alpenrose". Ein flüssiges Blumenstillleben. Da
brauch’ ich keinen Hammer, das glaub’ ich dem Martin Walde auch so. (Das
mädchenhafte Parfum "Der Duft von Aschenputtels Schuh" wäre natürlich
blassblau .)
Dann wieder lässt er rosa Silikonpatzen sehr intim mit Gummibäumen
kuscheln. Der Walde ist offenbar ein großer Romantiker. Den die kleinen
Dinge faszinieren. Kaffeehäferln etwa. Wie jenes in der Vitrine. Eine
Reliquie für den unglaublichen Zufall. Weil das bereits die zweite
Tasse ist, die ein Locherl im Porzellan gekriegt hat. Ein Foto zeigt
sie in Aktion: Da ist sie undicht wie Manneken Pis. Oh, vielleicht
geht’s ja eigentlich um den Panther Ray, äh: ums Panta rhei. Um die
Inkontinenz. Alles fließt. In der ziemlich poetischen Ausstellung "The
Liquid And The Magic" schlägt das Banale plötzlich in ein Rätsel um. Was
ist zum Beispiel das? Es baumelt an einer Schnur aus zusammengeknoteten
Schuhbandln. Antwort: Eine Schere. Wieso eine Schere ? Da
müssen Sie den Künstler schon selber fragen. Man soll die Schnur halt
durchschneiden und eventuell ein eigenes Bandl (als Opfergabe)
hineinknoten. Wohl ein magisches Ritual, damit einem beim nächsten
Marathon nix reißt. Mit seinen sanften Irritationen schafft es Walde,
aus dem Alltag einen surrealen Ort zu machen. In den Zauber wird man
einfach reingezogen. Und darf sich ganz naiv wundern.
Galerie Krinzinger
Seilerstätte 16, 1010 Wien
"The
Liquid And The Magic", bis 23. Oktober
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr,
Samstag 11 – 16 Uhr
Züge sind Immobilien
(cai) Es gibt Leute, die lügen
wie gedruckt, und Gerhard Weissenbacher malt und zeichnet eben wie
gedruckt. Mit zwangsneurotischer Präzision. (Menschen sind freilich
nicht seine Stärke. Zum Glück verkneift er sie sich meistens.)
Dass Lügner ein gutes Gedächtnis brauchen, ist klar. Aber müssen sie
womöglich auch eine Mindestgeschwindigkeit erreichen wie die Radfahrer,
damit sie nicht umkippen? Okay, das Bild, wo ein arabeskes Dings mit dem
Einrad fährt, heißt eh nicht "der Lügner", sondern "Lüge". Wieso hat
die Lüge denn ein Radl? Ach, man muss nicht alles verstehen.
Seit Jahrzehnten hält der Weissenbacher nun schon die Zeit an. (Und
seine Hand ist so ruhig, vielleicht hält er bei jedem Strich sogar die
Luft an.) Nix rührt sich vom Fleck: der museale Flugapparat nicht, nicht
der Zug, und die Fabriken und Silos sowieso nicht. Diese magische
Sachlichkeit hypnotisiert einen direkt mit ihrem unwirklichen
Perfektionismus.
Galerie Lang Wien
Seilerstätte 16, 1010 Wien
Gerhard
Weissenbacher, bis 9. Oktober
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16
Uhr
Malen ohne Ketchup
(cai) Tom Fleischhauers
Spezialität: Malen ohne Farben. Jö, wie wenn man eine Eierspeis macht,
aber ohne Ei. Nein, eher wie Pommes frites ohne Ketchup. Die Leinwände
sind ja nicht leer, sie sind bloß nicht bunt. Ein Grau in Grau aus
impressionistischen Flecken. Wie das harte Weiß die lichtdurchzuckten
urbanen Genreszenen rhythmisch akzentuiert, ist echt gelungen.
Galerie Frey
Gluckgasse 3, 1010 Wien
Tom
Fleischhauer: "en passant", bis 10. November
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr,
Sa.: 10 – 16 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 29.
September 2010
Online seit: Dienstag, 28. September 2010 17:16:00
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch
veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen.
Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der
Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer
nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird
online nicht veröffentlicht.