Wien - Unglaublich, wie programmierbar Leute sind, wie sie in die Falle laufen, wie Skandale punktgenau heraufbeschworen werden können. Kaum lockt man mit NS-Symbolik und -Vergangenheit, kommen die erwarteten Reaktionen. Lähmende, ebenso vorhersehbare "politische" Aktionen wie "Topflappenhäkeln gegen rechts" tragen nur sattsam zum Thema bei.
"Es ist noch nicht ausgestanden", kommentiert Hans Haacke die Reaktionen zu seinen Kunstwerken, die, wenn im öffentlichen Raum präsentiert, ihre Wirkung nicht verfehlen. Eine seiner "wirksamsten" Arbeiten war 1988 beim steirischen herbst in Graz: Den 1938 von den Nazis über die Mariensäule gestülpte und mit dem Spruch "Und ihr habt doch gesiegt" versehenen Obelisken baute der Künstler 1:1 nach. Die Beschriftung listete jedoch die steirischen NS-Opfer auf. Prompt wurde ein Brandanschlag verübt.
Zudem recherchierte Haacke in Zeitungsartikeln, Werbungen der damaligen Zeit und auch im Vorlesungsverzeichnis der juristischen Fakultät, in der man "Rassenrecht" lehrte "in Verbindung mit allgemeiner Rassenlehre". Diese als Plakat verarbeiteten Ausschnitte, statt einem Hakenkreuz in ein rotes Zentrum gerückt, sind Bestandteil der großteils retrospektiven Schau von Hans Haacke in der Generali Foundation.
Spannungsgeladene Gegenüberstellung mit Werken aus der hauseigenen Sammlung
Mit Haackes früheren, mehr an biologischen denn dezidiert gesellschaftlichen Systemen angelehnten kinetischen Arbeiten schaffte Chefin Sabine Breitwieser eine spannungsgeladene und anregende Gegenüberstellung mit Werken aus der hauseigenen Sammlung (z. B. von Maria Eichhorn, Heimo Zobernig, Dan Graham). Haackes Reichtagsprojekt, das Debatten und eine Abstimmung im Bundestag auslöste, flattert in Wien, ebenfalls mit Der Bevölkerung beschrieben, in Anlehnung an die Reichstags-Inschrift "Dem deutschen Volke".
Als neue Arbeit ziert Haackes Adaption eines FP-Plakatmotivs ("Kärnten blüht auf") die Wand. Damit entwarf der Künstler das Tattoo der Nation, schwarz-blaue Rosen mit christlichem Erlöserkranz im Hintergrund und die tautologische Eigendefinition Mia san mia in Frakturschrift.
Während das Emblem auch ohne Plakatbezug funktioniert, bietet das inmitten von "blauen Bergen" abgebildete arische Filmpaar aus Heimaterde (1941) nicht mehr als ein Déjà-vu-Erlebnis. Zu oft ist diese Bildsprache schon in dem Zusammenhang gebraucht worden. Haacke rechtfertigt sich in Bezug auf die Programmierbarkeit dieser Art von Kunst gegenüber dem STANDARD: "Es ist immer noch so, dass die ethnische Bestimmung den Wert des Menschen definiert. Es steht immer noch zur Diskussion, und Jörg Haider hat auch dabei mitgemischt. Das Plakat spielt darauf an, und er weiß, dass es Resonanz darauf gibt."
Dennoch würde das Emblem auf öffentlichen Plakatwänden erheblichere Wirkung
erzielen als in den heiligen Kunsthallen. George Grosz etwa hat im Porträt eines
Menschen die Gesellschaft als Ganzes decouvriert. Haackes Arbeiten
verdeutlichen, wie schmal der Grat zwischen pointiertem politischem Kommentar
und allzu vorhersehbarer billiger Polemik sein kann.
(DER STANDARD,
Print-Ausgabe, 11.9. 2001)